Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
in der Mitte entzweihauen, ohne daß der Knüppel davon auch nur eine Schramme bekäme. Und es sieht auch verdammt elegant und gekonnt aus. Außerdem habe ich das Gefühl, mich im Ernstfall wesentlich besser behaupten zu können.
    Aber leider konnten diese Burschen die Leute von der Verwaltung auch davon überzeugen, daß der lange Lederriemen völlig überflüssig ist, was nur zeigt, daß diese Burschen nie wirklich Streife gegangen sind – ganz zu schweigen natürlich von den Herren Bürokraten. Die haben keine Ahnung, was den Leuten ihr Revierbeamter bedeutet, wenn er, seinen Knüppel durch die Luft wirbelnd, eine verlassene Straße hinunterschlendert und mit seiner achteckigen Mütze auf dem Kopf überallhin seinen riesigen Schatten wirft. Na ja, ich habe mich von meinem Lederriemen sowieso nie getrennt. Von der Vorstellung, eine Polizeiwaffe durch einen Gummidichtungsring zu stecken, wird mir richtig übel.
    An der Arkade blieb ich stehen und sah einen großen, muskelbepackten Burschen herumlungern. Ich sah ihn nur kurz scharf an, worauf er sich betont unauffällig verdrückte. Als nächstes fielen mir zwei kleine Ganoven auf, die nebeneinander an einer Wand lehnten. Einer der beiden warf in regelmäßigen Abständen eine Münze in die Luft. Offensichtlich warteten sie auf irgendeinen Einfaltspinsel, den sie mit einem Münztrick übers Ohr hauen konnten. Ich starrte sie kalt an, was sie sichtlich nervös machte, und sie trollten sich auf den Parkplatz und verschwanden.
    Die Arkade lag nun fast völlig verlassen da. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als hier die ganzen geilen Schleimsäcke, Arsch an Nabel, wie die Ölsardinen aufgereiht standen und darauf warteten, durch den Gucker einen Blick auf die Sex-Show werfen zu können. Das war damals eine ganz große Sache. Das Gewagteste überhaupt. Ständig mußte die Sitte irgendwelche Typen wegen Masturbierens einsacken. An der Wand vor dem Gucker waren überall Flecken zu sehen. Inzwischen kann man hier in jeder Bar und in jedem Kino Live-Sex-Shows und Tiernummern sehen, wobei letztere keineswegs von Walt Disney stammen. Frauen und Hunde, Dandys und Esel, Peitschen und Schwule, Hühner und Enten – alles, was man sich nur vorstellen kann. Und manchmal fällt es echt schwer zu sagen, wer oder was mit wem was anstellt.
    Dabei mußte ich auch an den Foto Club denken, der direkt neben der Arkade aufgemacht hatte, als Nacktheit noch etwas ganz Besonderes gewesen war. Die Mitgliedschaft kostete fünfzehn Dollar, und dann mußte man für jede Sitzung noch einmal extra fünf Scheine auf den Tisch blättern. Man konnte so viele Aufnahmen von einem nackten Mädchen machen, wie man wollte, solange man ihr nicht näher als einen halben Meter kam und sie nicht anfaßte. Natürlich hatten die meisten dieser ›Fotografen‹ nicht einmal Filme in ihren Kameras, und da sich die Geschäftsleitung dessen durchaus bewußt war, machte sie sich nicht einmal die Mühe, richtige Fotolampen aufzustellen. Offensichtlich beschwerte sich darüber auch niemand. Damals war das alles noch so unschuldig gewesen.
    Ich wollte mich eben auf den Rückweg zu meinem Wagen machen, als mir ein Junkie auffiel, der mich beobachtete. Er war offensichtlich noch unschlüssig, ob er dableiben oder sich aus dem Staub machen sollte. Er blieb schließlich doch stehen und schaute, scheinbar gelangweilt und völlig desinteressiert in der Gegend herum, wobei sein Blick auf so ziemlich alles außer mir fiel. Am liebsten hätte er sich in Luft aufgelöst. Ich hatte es mir längst abgewöhnt, einen Heroinsüchtigen nur aufgrund seiner Einstiche festzunehmen, und dieser Kerl sah auch ziemlich abgeschlafft aus. Aber dann wurde mir doch klar, daß er mir irgendwo schon mal begegnet war.
    »Mensch, komm mal her!« rief ich ihm zu, worauf er angeschlichen kam, als wäre nun alles vorbei.
    »Hallo, Bumper.«
    »Na, hallo, Wimpy«, begrüßte ich den blassen Junkie. »Fast hätte ich dich nicht mehr wiedererkannt. Du bist ganz schön gealtert.«
    »Das letztemal haben sie mich drei Jahre eingelocht.«
    »Wieso gleich so lang?«
    »Bewaffneter Raubüberfall. Sie haben mich nach Q gesteckt. Aber Gewalt ist nichts für mich. Ich hätte lieber bei meiner coolen Tour bleiben sollen. Ich kann dir sagen, Bumper, San Quentin hat mich ganz schön geschafft.«
    »Tja, so was ist natürlich übel, Wimpy. Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Du hast ein paar Tankstellen ausgenommen, stimmt's?«
    Er sah wirklich alt aus.

Weitere Kostenlose Bücher