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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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bißchen Gift drin gewesen wäre.«
    »Damit es dir dann womöglich in der Vene abgebrochen wäre, wie?«
    »Ach, das Risiko wäre es mir wert gewesen. Ich habe Typen gesehen, die keine Spritze hatten, aber so geil auf einen Schuß waren, daß sie sich mit 'nem Rasiermesser den Arm aufgeschlitzt und sich einen Mund voll Stoff in die Wunde geblasen haben.«
    Gierig sog Wimpy an seiner Zigarette. Seine Arme und Hände waren über und über mit Tätowierungen aus dem Gefängnis bedeckt. Bei dieser Methode mischen sie den Staub einer Bleistiftmine mit Spucke und sticheln dieses Zeug dann mit Millionen Nadelstichen in die Haut. Vermutlich stammten Wimpys Tätowierungen aus seiner Jugendzeit, als er noch den starken Mann markieren wollte. Inzwischen hatte er jedoch schon einige Jahre auf dem Buckel, und die Tätowierungen, die an den Stellen lagen, wo er sich spritzte, waren das Werk eines Profis, wenn sie auch keineswegs die Einstichstellen verbergen konnten.
    »Ich war übrigens früher mal ein echter Könner, Bumper – nicht nur so ein mickriger Zigarettendieb. Ich habe in Kaufhäusern gute Kleidung und teure Parfüms abgestaubt, und sogar vor der Schmuckabteilung habe ich nicht haltgemacht, obwohl das alles andere als einfach ist.
    Zu der Zeit bin ich noch in Zweihundert-Dollar-Anzügen rumgelaufen, und diese Dinger konnten sich damals nur Typen mit echt viel Kohle leisten.«
    »Hast du eigentlich immer allein gearbeitet?«
    »Ganz allein, ich schwör's dir. Ich habe niemanden gebraucht. Damals habe ich auch noch anders ausgesehen. Nicht so kaputt wie jetzt. Damals habe ich richtig gut ausgesehen, wirklich. Und reden konnte ich damals auch wesentlich besser. Ich habe immer eine Menge Bücher und Zeitschriften gelesen. Ich bin einfach nur durch die Kaufhäuser spaziert und habe mich nach diesen Lehrlingen und den Aushilfsverkäufern umgesehen, um mir dann von denen einfach das Geld aushändigen zu lassen. Die haben mir einfach ihr Geld gegeben, ob du's glaubst oder nicht.«
    »Wie hast du das denn angestellt?«
    »Ich habe einfach gesagt, Mr. Freeman, der Leiter der Einkaufsabteilung, hätte mich geschickt, ihre Eingänge abzuholen. Ich sagte dazu immer, er hätte es nicht gern, wenn in den Kassen so viel Geld wäre, und dann habe ich ihnen einfach meinen Geldsack hingehalten, und sie haben mir brav für Mr. Freeman den ganzen Zaster reingefüllt.« Wimpy fing an zu lachen, kam aber immer mehr ins Keuchen und Husten, so daß er eine Weile brauchte, um sich wieder zu beruhigen.
    »Diesem Mr. Freeman schulde ich wirklich eine ganze Menge. Ich werde diesem Scheißkerl einiges zurückzahlen müssen, wenn ich ihm noch mal begegnen sollte. Ich schätze, daß ich diesen Namen in rund fünfzig Kaufhäusern verwendet habe. Und das Witzige ist, daß Freeman eigentlich mein richtiger Name ist. Mein Vater hieß so. Nur habe ich, als ich klein war und meine Mutter noch mal geheiratet hat, den Namen meines Stiefvaters angenommen. Ich habe mir immer vorgestellt, mein richtiger Alter hätte was für uns getan, wenn er noch da gewesen wäre. Und auf diese Art und Weise hat er uns dann ja auch tatsächlich geholfen. Ich muß von dem guten, alten Mr. Freeman an die zehn Riesen gekriegt haben, und das auch noch steuerfrei. Zeig mir doch mal den Vater, Bumper, der seinen Kindern so viel Zaster zukommen läßt!«
    Ich grinste. »Meiner wäre dafür jedenfalls nicht in Frage gekommen, Wimpy.«
    »Ich war echt gut in diesem Job, kann ich dir sagen. Mit einer Nelke im Knopfloch und dem ganzen Scheiß. Richtig schick habe ich damals ausgesehen. Und dann hatte ich noch einen anderen Trick, mit dem sich reichlich Zaster machen ließ – teure Babysachen, Koffer und allen möglichen anderen Kram. Ich ließ das Zeug mitgehen und brachte es dann in einer Originaleinkaufstüte wieder in den Laden zurück. Ich erzählte, ich hätte die Quittung nicht mehr, und ob sie mir das Geld aber nicht trotzdem zurückgeben könnten, weil der kleine Bobby all die Sachen nicht mehr brauchen würde, da er letzten Dienstag in seinem Bettchen unter seiner Decke erstickt wäre. Oder der gute alte Onkel Pete wäre selig entschlafen, gerade bevor er die Reise antreten wollte, auf die er sich schon seit achtundvierzig Jahren so gefreut und auf die er sein ganzes Leben lang gespart hatte. Und ich könnte es nicht mehr länger ertragen, seine Koffer herumstehen zu sehen. Also ehrlich, Bumper, die konnten ihr Geld gar nicht schnell genug aus der Kasse holen. Und ich habe

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