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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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sich zu den Philosophen) frevlerisch war, irgend etwas zu tun. Ein Mann konnte sein gesamtes Berufsleben damit zubringen, über die Möglichkeiten der Hebelwirkung nach zu denken, aber einen Stock auf zuheben und auf eine Achse zu legen, um einen Stein zu bewegen, wäre für ihn undenkbar.
    Dann würde er ja etwas tun, wohingegen Philosophen doch nur denken sollten. Ich zog mich von dem Bibliothekar zurück, sah mich um und entdeckte Berenike und Julia, die mit einem Mann sprachen, der unter anderem eine riesige Python trug. Die purpurne Robe mit den goldenen Sirenen und das hochaufragende Diadem mit dem Halbmond kamen mir bekannt vor. Selbst in Alexandria bekam man einen derartigen Aufzug nicht alle Tage zu sehen. Es war Ataxas, der wahrsagende und Wunder wirkende Prophet aus Asia Minor.
    »Decius Caecilius«, sagte Berenike, »komm her. Du mußt den heiligen Ataxas kennen lernen, Avatara von Baal-Ahriman.«
    Das war, soweit es für mich überhaupt einen Sinn ergab, eine Kombination mindestens zweier asiatischer Gottheiten. So etwas kam ständig aus Asia Minor.
    »Im Namen des Senates und des Volkes von Rom«, sagte ich, »grüße ich dich, Ataxas.«
    Er vollführte eine jener orientalischen Verbeugungen, bei denen man viel mit den Fingern herumflattern muß.
    »Die ganze Welt zittert vor der Macht Roms«, intonierte er.
    »Die ganze Welt bewundert ihre Weisheit und Gerechtigkeit.«
    Dem konnte ich schlecht widersprechen. »Wie ich gehört habe, unterhältst du hier in Alexandria ein... eine Niederlassung«, bemerkte ich lahm.
    »Seine Heiligkeit hat einen prachtvollen neuen Tempel unweit des Serapeions«, sagte Berenike.
    »Ihre Hoheit hat zu ihrem ewigen Ruhm großzügig den Tempel von Baal-Ahriman gestiftet«, sagte Ataxas und hätschelte seine Schlange.
    Und dafür zweifelsohne römisches Geld benutzt. Das klang ominös. Offenbar war Ataxas der jüngste Schwarm in Berenikes langer Kette religiöser Verzückungen.
    »Morgen werden wir fünfzig Bullen opfern, um den neuen Tempel einzuweihen«, sagte die Prinzessin. »Du mußt unbedingt kommen.«
    »Leider«, wandte ich ein, »habe ich Julia bereits versprochen, ihr morgen das Museum zu zeigen.« Ich warf ihr flehende Blicke um Bestätigung meiner Geschichte zu. »Oh, ja«, sagte sie zu meiner großen Erleichterung. »Decius pflegt vertrauten Umgang mit den bedeutenden Gelehrten. Er hat versprochen, mir alles zu zeigen.«
    »Dann vielleicht übermorgen«, drängte Berenike. »Die Priesterin wird den Ritus der Selbstgeißelung vorführen und dann den Gott mit einem ekstatischen Tanz ehren.«
    Das klang schon besser. »Ich glaube, das läßt sich...«
    Julia trampelte auf meinen Zeh. »Das ist leider der Tag, an dem Decius mir die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen will: das Paneion, den Soma, das Heptastadion...«
    »Schade«, sagte Berenike. »Es ist ein erhabenes Spektakel.«
    »Dort ist Fausta«, sagte Julia. »Ich muß mit ihr sprechen.
    Komm mit, Decius.« Sie nahm meinen Arm und zerrte mich hinter sich her. Ataxas sah uns spöttisch nach.
    »Ich sehe keine Fausta«, sagte ich.
    »Ich auch nicht. Aber ich weiß nicht, wie lange ich mich noch um Einladungen zu dem abscheulichen Tempel dieses Betrügers hätte herum drücken können.«
    »Diese Barbaren«, sagte ich. »Fünfzig Bullen! Nicht mal Jupiter könnte so viele auf einmal verlangen.«
    »Ich habe bemerkt, daß du ganz und gar nicht abgeneigt warst, einer Horde barbarischer Priesterinnen zuzuschauen, die sich erst in einen Wahn prügeln, um dann wie nackte Bacchantinnen herum zu tanzen.«
    »Wenn du mich fragst, ob ich ein Bordell einer Schlachterei vorziehe, so muß ich gestehen, ja. Ich bin schließlich kein völlig geschmackloser Mensch.«
    Im weiteren Verlauf des Abends wurden wir noch zu den Ritualen von mindestens einem Dutzend weiterer orientalischer Gottheiten eingeladen. Die meisten wurden von durchreisenden Religionskrämern von der Art Ataxas' propagiert. Wie Rufus mir gesagt hatte, konnte ich feststellen, daß diesen religiösen Scharlatanen in Alexandria eine ganz andere Bedeutung zugemessen wurde als in Rom. In Rom rekrutierten sich die Anhänger von spinnerten Kulten fast ausschließlich aus Kreisen der Sklaven und der ärmsten Plebejer. In Alexandria hingegen verwöhnten die wohlhabendsten und hochrangigsten Personen diese anrüchigen Betrüger mit Geld und Aufmerksamkeit. Sie adoptierten sie wie eine Mode und priesen auch noch den letzten ungewaschenen Propheten als Führer auf dem

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