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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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verballhornten Radetzky-Marsch über Techno-Rhythmen bis zu Volksmelodien und Klangcollagen der E-Avantgarde. Beim Hören des Stücks RADIOAKTIVITÄT kann ich die Assoziation »Atomares Endlager Salzstock Asse« – es tropft katastrophisch auf die eingelagerten rostenden Atommüll-Fässer, dazu Warn-Pfeifton – gar nicht vermeiden. Gleichzeitig ist es aber auch eine variative Coverversion von RADIOAKTIVITÄT (1975!) der Gruppe Kraftwerk.
    Ganz abstrakt aber hört man rhythmische Beschleunigungs-Prozesse von zwei Schallquellen, mit unterschiedlichem Start-Tempo und unterschiedlichem Beschleunigungsgrad: Doppelgemüse mit Verstärker. Später kommen (von »Kraftwerk« inspirierte) aufgeregte, wandernde Morsezeichen dazu, und dann erklingt die sehr populäre Synthie-Melodie von »Kraftwerk« auf dem Möhren-Marimbaphon; und, auf geriebenem Kohl, ein aufs Atomkraftwerk anfliegender Jet, sehr bedrohlich mit Nine-Eleven-Assoziationen (0’00’’– 0’42’’).
    Kritisch anzumerken wäre, dass oft mit dem innovativen musikalischen Material keine kreativen, spannenden Prozesse wirklich auskomponiert werden. Die Effekte drohen zum Selbstzweck zu werden. Hier, bei RADIOAKTIVITÄT mündet der Schluss (1’16’’– 2’05’’) in ein verstummendes stilisiertes Uhren-Ticken und ein Ersterben – das ist auf eine böse Weise sinnfällig.
Tokio Hotel: DURCH DEN MONSUN (2005)
    – http://www.dailymotion.com/video/x125h_tokio-hotel-durch-den-monsun_music
    Die Debüt-Single der wohl erfolgreichsten deutschen Teenie-Band –  die Zwillinge Bill und Tom Kaulitz waren fünfzehn/ sechzehn – zeigt, dass hinter dem Quartett sehr professionelle Musiker, Songwriter und Produzenten standen und stehen. Der europäische und auch außereuropäische Erfolg wurde gern den geschickten Marketingstrategien, der Stilisierung und dem Outfit besonders der Zwillinge zugeschrieben, auch den Performance-Tricks; aber das reicht nicht. Dass sie ihre Instrumente professionell beherrschen, steht außer Frage, ebenso, dass mehrstimmige, kontrapunktische Chorsätze auch in Live-Situationen überzeugend abgeliefert werden. Der »personality-Faktor« besonders bei Bill grenzt an das, was auch dümmste Mitglieder von Jurys in Castingshows gerne »Charisma« nennen, mit neckisch falscher Betonung auf dem i.
    Nur zwei Takte Intro präsentieren das melodisch-harmonische Gitarren-Riff des Songs: Im mittleren Tempo (ca. 118 bpm) mit durchlaufenden Achteln (»latin«, 3 + 3 + 2) in E-Dur hat der erste Takt die melodische Halbton-Bewegung gis-a-gis; der zweite Takt transponiert genau das ins weit entfernte C-Dur ( b VI, die tiefalterierte VI. Stufe). Der ursprüngliche Grundton e wird, als »Klangband«, zum Terzton in C-Dur, von dem aus wiederum die melodische Halbton-Bewegung erfolgt (e-f-e). Dieses zweitaktige Modell ist nun die Grundlage für die darübergelegte Strophen-Melodie, an deren Ende aber noch a-Moll 9 und G-Dur eingeschoben werden, bevor das alles im 2. Teil der Strophe wiederholt wird (0’00’’– 0’24’’).
    Vor dem Refrain wird aus dem a-Moll 9 ein A-Dur 9 4–3 ; der Refrain bewegt sich in einer reichen Stufenfolge in G-Dur, bevor an seinem Ende sehr überraschend der E-Dur-Akkord des Angangs wieder da ist. Und bei der Hookline »… durch den Monsun. Dann wird alles gut« ist das Modell des Anfangs wiederda. Ein solcher harmonischer und auch melodischer Reichtum hat mit normalem »Teenie-Pop« nichts zu tun (0’36’’– 1’10’’).
    Dass der ruhige Erzähl-Tonfall in der Gesamtdramaturgie des Songs noch variiert wird, versteht sich von selbst; so wird die zweite Strophe (ab 1’18’’) im Gesang zur Zwei- und Dreistimmigkeit erweitert.
    Die normale Strophe-Refrain-Abfolge des Popsongs wird in einem Bridge-Mittelteil (2’00’’– 2’44’’) durchbrochen, der auch erstmals größeres Klangvolumen bereithält.
    Spätere Versionen des Songs sind – besonders im Sound – erheblich aufwendiger. Das hat auch mit ihrer Bestimmung für den internationalen Markt zu tun. Und dass die Stimme(n) ihren Hauch von Kindlichkeit mehr und mehr verloren, ist selbstverständlich. Auf zwei weitere Einspielungen sei jetzt noch wenigstens verwiesen.
    – http://www.dailymotion.com/video/x4mwuo_tokio-hotel-durch-den-monsun-live_music (deutsch)
    – http://www.dailymotion.com/video/x27w7c_monsoon_music (englisch)
Wolfmother PYRAMID (2006)
    – http://www.youtube.com/watch?v=dXWxtCNBwx4
    Endlich kommt die titelgebende

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