Der Nacht ergeben
natürlich einfach, zurückzublicken und sich dessen bewusst zu werden, dass ihre Angst durch eine Mischung aus Hyperstimulation, der stickigen Dunkelheit und dem Gefühl, von ihrer Mutter verlassen worden zu sein, hervorgerufen worden war.
Trotzdem war der Eindruck, gleich verschlungen zu werden, sehr real gewesen. Genau wie in diesem Moment.
Abby straffte grimmig die Schultern und ließ sich durch die dunklen, leeren Räume führen, bis die ältere Hexe schließlich anhielt, um eine Tür zu öffnen und die schmale Treppe hinunterzusteigen.
Abby war nicht länger ein Kind.
Sie kauerte sich nicht in Ecken.
Sie setzte sich mit voller Kraft zur Wehr.
Naja... vielleicht nicht mit voller Kraft. Es war eher eine Mischung aus Sichdurchwurschteln, Herumtasten und Umsichschlagen.
Jedenfalls würde sie nie wieder einfach so zum Opfer werden.
Ein überwältigender moderiger Geruch von feuchter Erde und Schimmel traf Abby, als sie das Ende der Stufen erreichten. Sie zögerte, als die völlige Dunkelheit sie nichts mehr sehen ließ.
»Fürchtet Euch nicht«, flüsterte Edra, und ihr uraltes Gesicht war plötzlich wieder sichtbar, als ein Feuer in einem großen Kohlenbecken aufflackerte. »Hier gibt es nichts, was Euch je etwas zuleide tun könnte.«
Nichts außer dir, flüsterte Abby stumm.
»Warum sind wir hier?«
Die Hexe lief durch den Raum. »Da gibt es etwas, was ich Euch zeigen möchte.«
Sie ging auf etwas zu, das wie eine große Marmorplatte aussah, die neben dem Kohlenbecken auf ein paar Steinen ruhte. Die Platte wirkte ganz wie etwas, was man auf ein Grab legte.
Auf ihrem Rand standen und lagen, genau arrangiert, schwarze Kerzen und getrocknete Kräuter. Und genau in der Mitte war ein fremdartiges Symbol zu erkennen, das mit einer dicken, geronnenen Flüssigkeit gemalt worden war, die in einer rötlich schwarzen Farbe glänzte.
Abbys Magen zog sich zusammen, als sie der Frau widerstrebend folgte.
»Was ist das?«
»Mein bescheidener Altar.« Die Hexe streichelte den kalten Stein ehrfürchtig mit der Hand. »Es ist nicht das, was ich mir wünschte, um es der geliebten Göttin zu präsentieren, aber ich war gezwungen, nach dem Angriff des Magiers vieles zurückzulassen.«
»Warum sind wir hier?«
Der kleine Kopf drehte sich um, und die Hexe durchbohrte Abby mit einem Blick aus glitzernden Augen. Im flackernden Kerzenlicht wirkte die Frau wie eine verschrumpelte Echse.
Und etwa genauso warm und herzlich.
»Um die Welt zu verändern, meine Herrin.«
Abby trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Das ist etwas vage.«
»Es ist an der Zeit, dass die ganze Herrlichkeit des Phönix enthüllt wird. Seine Macht wird die Welt reinigen.«
Die Welt reinigen.
Das klang ganz eindeutig netter als Massenmord.
»Die Welt wovon reinigen?«, fragte Abby. Sie musste einfach hören, wie die Frau ihre niederträchtigen Absichten zugab.
»Von dem Bösen.«
»Das ist wieder etwas vage.« Abby erschauderte. Jeder dunkle und feuchte Keller war unheimlich, aber mit den Kerzen, der Grabplatte und irgendeiner klebrigen Masse, bei der es sich möglicherweise um Blut handelte, bekam »unheimlich« eine ganz neue Bedeutung. »Welches Böse genau beseitigen wir hier?«
»Natürlich die Dämonen. Und jene, die den dunklen Herrscher verehren.«
»Der dunkle Herrscher wurde aus dieser Welt verbannt.«
Die ältere Frau kniff die Lippen zusammen, und Ungeduld sowie etwas, was wie Ärger wirkte, zeigte sich in ihren Zügen. Offenbar war sie kein großer Fan davon, dass ihre Entscheidungen diskutiert wurden.
»Seine Verdorbenheit verschmutzt noch immer die Luft, die wir atmen. Er ruft nach seinen Jüngern, und sie antworten. Sie alle müssen ihr Ende finden«, krächzte sie.
Abby leckte sich über die Lippen. »Und Sie erwarten, dass der Phönix das tun wird?«
»Natürlich. Die geliebte Göttin ist dazu bestimmt zu herrschen.« Sie streckte ihre schwieligen Hände aus, als nähme sie Huldigungen von unsichtbaren Jüngern entgegen.
»Ebenso, wie ich dazu bestimmt bin zu herrschen. Unsere Zeit ist endlich gekommen.«
Du meine Güte, diese Frau war nicht zurechnungsfähig.
Beeil dich, Dante, flüsterte Abby stumm. Bitte, beeil dich.
»Ich verstehe Ihren Wunsch. Er ist ohne Zweifel bewundernswert, aber es gibt doch sicher noch andere Mittel, das Böse zu bekämpfen?«, versuchte sie die Frau zu beschwichtigen. Die Verrückten beruhigen. Das war schon immer ihr Motto gewesen.
Absurderweise wirkte die Hexe eher
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