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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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alte Mentorin Irmhobib ihre Unterweisungen beendet hatte, nie gemocht. Aber bei Irmhobib war sie sich zumindest eines grundsätzlichen Wohlwollens sicher gewesen. »Ich habe viele Dinge bemerkt«, sagte sie. »Worauf im Besonderen möchtet Ihr hinweisen?«
    »Auf das Offensichtliche«, erwiderte er mit einem dünnen Lächeln.
    Verflucht! Dadalore rutschte auf dem Stuhl herum. Sie setzte gleichfalls ein Lächeln auf. »Womit es ja keiner Erwähnung mehr bedarf.«
    Der Prinzipalprotektor lehnte sich zurück und legte die ausgestreckten Hände auf der Tischkante ab. »Ich sehe, Ihr habt es nicht bemerkt«, stellte er fest. Er nickte sich selbst zur Bestätigung.
    »Helft einer unwissenden Capitalobservatorin auf die Sprünge«, giftete Dadalore. Die Erniedrigung brannte in ihr.
    »Es ist ein alter Ermittlungsfehler, sich in den Details zu verlieren«, sagte Patmelu. »Ein Blutfleck hier, ein Stofffetzen dort. Auf diese Art findet man vielleicht ein Kind, das sich in die Waschküche geschlichen hat: Man läuft den nassen Fußspuren nach. Wirkliche Verbrechen klärt man anders auf.«
    Er legte eine bedeutende Pause ein. Dadalore unterdrückte den Impuls, nachzufragen, wie man denn wirklichen Verbrechen beikomme. Alles in ihr widerstrebte der Vorstellung, einen allzu interessierten Eindruck zu machen.
    Als Patmelu gewahrte, dass seine Worte hinreichend nachwirkten, fuhr er fort: »Wenn man der wahrhaft großen Bedrohungen des Reiches Herr werden will, muss man auch in wahrhaft großen Zusammenhängen denken.«
    »Klingt nach wahrhaft großer Expertise«, bemerkte Dadalore.
    Ein strafender Blick verkündete ihr, dass er den Unterton gehört hatte. »Ihr könnt mir sicher sagen, womit wir es hier zu tun haben?«
    Das Prüfungsgefühl bemächtigte sich ihrer wieder. Sie wünschte sich weit fort. Sie musste jetzt Haltung bewahren. Sie holte tief Luft ...
    »Nein«, stellte der Prinzipalprotektor fest, »Ihr könnt es nicht. Weil Ihr nur die Einzelheiten seht: Drei Leichen, ein Fladenbrot und so fort. Aber worum geht es hier eigentlich? Wir befinden uns in den letzten Vorbereitungen zur Achthundertjahrfeier unseres großartigen Imperiums. Der König selbst hat den Wunsch geäußert, den mythologischen ersten Fladen auf der Feier zu präsentieren. Ich gebe zu, die Idee hat ihre Vorzüge. Das Volk isst täglich Brot. Das Brot eines Königs muss ... nun, größer sein. So groß, dass dem Volk seine eigene Niedrigkeit vor Augen geführt wird. Und am Ende der Feierlichkeiten kann der König sich in die Tradition der Regentengnade stellen und das Riesenbrot unter dem Pöbel verteilen. Die Menge jubelt und der Monarch ist gefestigt.«
    »Das sind bislang eher die Überlegungen eines königlichen Beraters als die Beweggründe eines Mörders«, merkte Dadalore an.
    »Weil Ihr nicht weiter denkt«, rief Patmelu aus. »Ihr müsst versuchen, das Ganze zu sehen! Der Fladen soll das mythologische erste Brot darstellen, das die Stämme von Teutomar und Shaguana vor der Reichsgründung miteinander geteilt haben. Wie es in den Schriften heißt: Und Teutomar teilte das Brot unter den Frauen und Mannen Shaguanas und sie wurden satt und zufrieden. Und Shaguana teilte das Brot unter den Frauen und Mannen Teutomars und siehe: Da wurden auch sie alle satt und zufrieden.«
    »Tyrtallas Lobpreisungen – drittes Kapitel, Vers zwölf«, warf Dadalore ein. Es hatte auch seine Vorzüge, wenn man von einer strenggläubigen Priesterin beschult worden war, zumindest im Nachhinein betrachtet.
    Patmelu versuchte unbeeindruckt zu wirken. »Überlassen wir das den Schamanen«, sagte er irritiert. »Jedenfalls war ich immer schon der Auffassung, dass dieser Text eher symbolisch zu verstehen ist. Die Stämme finden zueinander in einer Geste der Brüderlichkeit. Man hätte eine große Menge solcher erster Fladenbrote backen und unter den Leuten verteilen können. Aber nein! Tongulaus, der Erste Königliche Hofbäcker war der Meinung, ein Brot, von dem alle Frauen und Männer beider Stämme gespeist wurden, müsse eben ein unglaublich großes Brot gewesen sein. Und damit fingen die Schwierigkeiten an. Könnt Ihr Euch vorstellen, was man für einen monströsen Ofen bauen muss, wenn man das größte Fladenbrot aller Zeiten backen will? Und wie oft das Ding beim Probebacken außen verbrennt und innen immer noch nicht aufgeht? Aber bei solchen Sachen ist die Steuerschatulle unerschöpflich, wenn man hingegen eine einfache Personalaufstockung bei der Palastwache

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