Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
Vom Netzwerk:
reißen drohte. Aron war gelähmt vor Angst, ewige Sekunden lang,
    bis es ihm gelang, die Lider zu öffnen und sich zurückzutasten in die Wirklichkeit der Seminarhalle, in der das Hju allmählich abzuschwellen begann. Für
    einen Moment schien Innen und Außen zu einem geworden. Der heulende Ton, der aus dem Land jenseits der Brücke floss, verschmolz mit dem Hju-Gesang der
    Atmas. Gleichzeitig erkannte Aron, dass auf der raffiniert ausgeleuchteten Bühne der Mahaguru saß, in sich zusammengesunken, schweigend. Langsam schweiften
    seine Augen über die Masse der singenden Atmas. Auf den Videoschirmen zu beiden Seiten der Bühne erschien sein Gesicht übergroß, dieser Blick, der nach
    etwas zu suchen schien in der Menschenmenge. Es waren dieselben Augen, die Aron jenseits der Brücke hatte aufblitzen sehen. Bevor Aron einen Gedanken
    fassen konnte, hatten auch die Atmas den Mahaguru auf der Bühne entdeckt. Frenetischer Applaus tobte durch die Halle. Alle sprangen von den Sitzen und
    feierten die Rückkehr ihres Meisters mit ausgelassenem Jubel.
    Der Mahaguru redete nur kurz zu den Atmas. Es schien ihm große Mühe zu bereiten, auf der Bühne zu sitzen und zu sprechen. Bewegungslos verharrte er in
    seinem thronartigen Sessel. Nur sein Blick wanderte wie gehetzt über die Menschen hin. Alle sprachen später von der unvorstellbaren Macht dieses Blickes.
    Gerüchte wurden laut, es seien schwer kranke Atmas an diesem Abend geheilt worden, es hätten viele, die als Zweifler oder Neugierige zum Seminar gekommen
    waren, spontanen Einblick in tiefste Geheimnisse des Hju erhalten, Einweihung in die Mysterien der uralten Adepten. Auch Aron war gebannt von diesen Augen,
    deren Blick einem Feuerstrahl glich, der sich gnadenlos ins Herz brannte. Atemlos folgte er den Worten des Mahaguru, der davon sprach, dass dieses Seminar
    der Beginn einer neuen Ära der Liga sei, einer lange erwarteten durchgreifenden Spiritualisierung, welche nicht nur die Liga läutern würde, sondern die
    ganze Welt. Alles bis zum heutigen Tag sei nur Vorbereitung gewesen für das eigentliche, eine Schulung des Bewusstseins für die wahre Macht der uralten
    Adepten, für die wahre Weltkultur der Liga. Schon bald werde sich diese Macht in ihrer ganzen Größe offenbaren und die Liga zu ungeahnten Dimensionen
    führen. Der Mahaguru sprach nur in solchen Andeutungen, und doch glaubte Aron die Tragweite seiner Worte zu verstehen. Die Halle war in Stille versunken,
    nur durchschnitten von der Stimme des Mahaguru, die leise und brüchig klang und doch von der gleichen Macht erfüllt war wie seine Augen. Als er seine Rede
    beendet hatte, ließ er den Blick noch einmal über das Publikum schweifen, als wolle er jedem einzelnen Atma ins Gesicht sehen, ihn durchschauen und prüfen,
    und wirklich glaubte sich jeder der Anwesenden ganz persönlich getroffen und erschüttert. Einige Augenblicke herrschte Schweigen, bevor der Mahaguru beide
    Hände hob und einen Segen aussprach, von dem die Liga-Pioniere später raunten, es sei das Machtvollste gewesen, das sie jemals aus dem Munde eines Mahaguru
    vernommen hatten: „Ich segne euch im Namen der Uralten, deren Allmacht die Welt im Feuer des Hju reinigen wird.“
    Es dauerte eine Weile, bis die gebannt verharrenden Atmas zu applaudieren begannen. Wie von unsichtbarer Hand gezogen entfernte sich das Podest, auf dem
    der Thron des Mahaguru stand. Ein Vorhang sank nieder und entzog Ken Andersen den Blicken seiner Anhänger.
    Beim Hinausgehen, in der langsam vorwärtsdrängenden Menschenmasse, in Gedanken versunken, die Worte des Mahaguru kontemplierend, spürte Aron plötzlich eine
    Hand auf seiner Schulter. Als er sich umdrehte, blickte er in das lächelnde Gesicht Judiths. Einen Augenblick wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Er
    war überzeugt, dass die EHs ihre Informationen über jene Nacht auf Bali von Judith bekommen hatten. Er war wütend über ihre Geschwätzigkeit, andererseits
    ließ der Stich, den Judiths Anblick ihm versetzte, keinen Zweifel daran, dass er noch immer in sie verliebt war.
    „Gratuliere zum Examen,“ sagte sie ihm ins Ohr, während sie sich bei ihm einhängte, um ihn im Strom der Menge nicht zu verlieren. Aron nickte, suchte ihrem
    Blick auszuweichen. Judith überging seine Unsicherheit.
    „Ich wohne im Radisson, Zimmer 1457. Ich muss jetzt noch in eine Besprechung, aber ab elf bin ich da. Bitte komm.“ Sie drückte fest seinen Arm. Bevor Aron
    antworten konnte, war sie im Gedränge

Weitere Kostenlose Bücher