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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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Walt wollte es mir nicht zeigen. Er sagte seltsame Dinge über die Liga, über das Hju…“
    „Was er im Gelben Buch niedergeschrieben hat, ist die reine Wahrheit. Es hat mir so vieles klar bestätigt, was ich ahnte oder über das ich Gerüchte gehört
    hatte. Und es hat mir klar gemacht, dass man etwas tun muss gegen diese Pest.“
    „Hast du dieses Gelbe Buch denn gelesen?“
    „Ich konnte nicht alles lesen. Er hat es mir gegeben, während er sich um dich kümmerte. Ich war schon bei ihm, als du ohnmächtig wurdest. Der Trubel des
    Festes war eine gute Gelegenheit, ihn ungestört zu sprechen. Aber es blieb trotzdem nicht genug Zeit. Außerdem war es schwer, Walts Handschrift zu
    entziffern im trüben Licht dieser Kokoslampen. Ich habe den Text nur überflogen, aber was ich las, genügt mir – Howard Jason, ein Lügner und
    größenwahnsinniger Neurotiker, Gordon Blake, ein Säufer und Weiberheld, der seinem Vorgänger Hörner aufsetzt und sich von seiner Geliebten zum Mahaguru
    machen lässt und schließlich Ken Andersen, der größte aller Mahagurus, der weit über das Bewusstsein seiner Vorgänger hinausging, ein Psychopath, die
    willenlose Marionette in einem Komplott, das Walt und sein Freund Ted Elliot schmiedeten – eben der Ted Elliot übrigens, der beim Attentat umkam und ein
    Liga-Staatsbegräbnis erhielt samt einem Nachruf in der
Wahrheit
, der ihn zum Heiligen verklärt. Mein Gott, geht es noch lächerlicher? Eine
    Schmierenkomödie. Eine Seifenoper billigster Machart. Und Tausende nehmen es ernst. Für Tausende ist es höchste spirituelle Wahrheit. Die Welt soll lachen
    darüber. Nur gewaltiges Gelächter kann diesen Humbug beenden.“
    Aron senkte den Kopf und starrte auf das Muster des Bettüberwurfs. Stellen aus dem
Buch der Erleuchtung
fielen ihm ein, die ausmalten, wie es
    jenen erging, die den Mahaguru verleumdeten, sich anmaßten, das höchste Bewusstsein mit menschlichen Maßstäben zu messen. Die Strafe des Hju würde sie
    treffen. Sie würden auf das Bewusstsein von Tieren herabfallen, ungeachtet, wie hoch sie bereits gestiegen waren in den Einweihungen der Liga. Und doch
    wagte Aron nicht, Judith zu widersprechen. Gemäß dem Verhaltenskodex für Akademiestudenten müsste er nun ohne ein weiteres Wort das Zimmer verlassen und
    bei einem EH Meldung erstatten. Aber er hatte das Vertrauen in diese äußeren Aspekte der Liga verloren. Es kam ihm wieder zu Bewusstsein, dass er selbst
    ein Zweifler war, ein Abtrünniger, der fortwährend gegen die Ethik der Liga verstieß. Jeder Tag zog ihn tiefer in diese negativen Verstrickungen hinein. Er
    besaß nicht mehr die Kraft, sich dagegen aufzulehnen. Er dachte für einen Augenblick an die bevorstehende Audienz beim Mahaguru und spürte, wie ihm kalter
    Schweiß ausbrach.
    „Walt hat von anderen Dingen gesprochen, von magischen Kräften, die ganz und gar nicht lächerlich sind,“ brachte er stotternd hervor.
    „Welche magischen Kräfte sollen denn diese Witzfiguren besitzen? Doch nur die, die ihnen ihre hysterischen Anhänger zuschreiben.“
    Judith lachte ausgelassen. Aron dachte an den Traum von der Brücke, an die Bilder seiner Vision auf Bali. Er konnte mit Judith nicht darüber sprechen. Sie
    würde ihn nicht ernst nehmen.
    „Oft sind die Dinge anders als sie scheinen,“ sagte er. „Die spirituelle Seite der Liga jedenfalls ist intakt und wahr. Und die Missstände in der
    Organisation können wir durch unseren eigenen Einsatz verändern. Es liegt an uns, an den jungen Liga-Führern. Das sagt auch der Mahaguru.“
    Judith sah ihn belustigt von der Seite an. Wieder fiel Aron auf, wie schön sie war. Hinter der kühlen, schroffen Fassade der Liga-Journalistin, die viele
    für arrogant und unnahbar hielten, sah er im Augenblick nur die attraktive Frau.
    „Ich sehe schon,“ lachte Judith, „die Angst vor diesen Konstrukten sitzt tief in dem Herrn Akademieabsolvent. Geheime Mächte, die Strafe des Hju, der
    allwissende Mahaguru, die Verkörperung höchsten Bewusstseins. Das hat sich im Kopf festgefressen wie öliger Dreck. Bei den Akademiestudenten wohl noch mehr
    als bei anderen. Schließlich sind sie dem Trommelfeuer dieser Lügen besonders stark ausgesetzt. Intensivschulungen. Sondertrainings. Deprokurse.
    Musterbrecher. Das wirkt wie Radioaktivität. Man sieht sie nicht, man spürt sie nicht, aber schließlich ist man doch verseucht. Es wird schwer werden mit
    den Atmas der höheren Grade. Sie werden die Lächerlichkeit der Liga klar

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