Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
beschreibt in düsteren Worten die
Folgen für jeden, der die Liga verlässt: spiritueller Verfall, Vegetieren in Verblendung, Verlust jeden Schutzes durch das Hju und daher unerträgliches
Leiden unter plötzlich hereinbrechendem Unglück, Verdammnis für unzählige Inkarnationen, zahlreiche Wiedergeburten als Tier. Die Strafe des Hju, so der
Titel dieses Briefes, der aus Jasons Ärger über unzufriedene Atmas entstanden war, liest sich wie eine Prophezeiung biblischer Plagen. Die Atmas duckten
sich in Angst vor diesen Drohungen, nahmen sie wörtlich und diskutierten sie in eigens dafür angesetzten Schulungsgruppen. So mancher Intrigant machte in
dieser Zeit des Niedergangs in der Liga Karriere, nur weil er es verstand, sich bei den richtigen Stellen anzudienern und die richtigen Stiefel zu lecken.
Verdiente Liga-Pioniere wurden aufgrund böswilliger Verleumdungen von ihren Positionen entfernt und durch willfährige Jasager ersetzt. Ein Klima von Angst
und Misstrauen herrschte in den Rängen der Organisation. Ich konnte auf einmal verstehen, wie es der Kirche im Mittelalter gelungen war, durch
Einschüchterung mit Höllenfeuer und ewiger Verdammnis das Volk in Unterdrückung zu halten. Menschen, die trotzdem die Liga verließen, wurden von ihren
Freunden und Angehörigen, die Atmas geblieben waren, bedauert wie Unglückliche, die ihr Seelenheil verloren hatten. Die Zurückgebliebenen rückten noch
näher zusammen und sangen das Hju, auf dass ihnen das furchtbare Schicksal, in Verblendung von der Liga und vom Mahaguru abzufallen, erspart bliebe.
Familien zerbrachen daran, Partnerschaften scheiterten, Freundschaften lösten sich. Die Atmas wurden angehalten, die Abtrünnigen mit Briefen und
Telefonaten zu überschütten, um sie zur Rückkehr zu bewegen und ihnen die tragischen Folgen ihrer Entscheidung vor Augen zu führen. In manchen, die die
Liga trotzdem hinter sich ließen, schwelten die einmal eingepflanzten Ängste im unterbewussten weiter und brachten eben die Unglücksfälle hervor, die Jason
prophezeit hatte. Geschichten von Ex-Atmas, die bei Unfällen starben, ihren Job verloren, dem Alkohol verfielen oder von ihren Partnern verlassen wurden,
kursierten in Liga-Zentren und galten als Beweis für die allgegenwärtige Strafe des Hju. Die Masse der gewöhnlichen Atmas, die Gordon nur als erhabenen
Mahaguru auf einer Seminarbühne kannte, der es vermochte, mit seiner Ausstrahlung Tausende zu elektrisieren, steigerte sich zur Hysterie. Ihr Glaube an den
Mahaguru war ungebrochen. In ihrer Verzückung bemerkten sie nicht, wenn Gordon einen Abend lang unzusammenhängenden Unsinn redete, der aber gespickt war
mit „aufgeladenen Liga-Worten“. Ein solcher Vortrag galt ihnen als „Ausdruck erleuchteten Bewusstseins, das man nicht mit gewöhnlichen menschlichen
Kriterien beurteilen kann.“ Die Ethik-Hüter, die den Sicherheitsdienst bei den Seminaren versahen, mussten mit immer drastischeren Maßnahmen die Bühne
absperren, um die unter Hochspannung stehenden Atmas im Zaum zu halten. Die neurotische Verstiegenheit vieler Atmas entlud sich auch in Machtkämpfen in den
lokalen Zentren, wo die Fanatiker rasch die Überhand über die gemäßigten Liga-Mitglieder gewannen. Zusammenkünfte, in denen früher lebhaft diskutiert
wurde, gerieten zum wörtlichen Nachplappern von Phrasen aus dem
Buch der Erleuchtung
. Einige Lireps nahmen sich als Stellvertreter des Meisters am
launischen Mahaguru ein Beispiel und verstiegen sich in bizarren Missbrauch ihrer Macht. Denunziation, Intrigen und Cliquenwirtschaft nahmen überhand. An
den Liga-Akademien wurden weltfremde Eiferer herangezogen, die auswendig gelerntes Wissen wie Missionsautomaten in die Welt trugen und an nichts anderem
interessiert waren, als die Sollzahlen der Zuwachsstatistiken zu erfüllen. Die Musterbrecher- und Deprogrammierungsschulungen entwickelten sich zu
Instrumenten für Psychoterror und Gehirnwäsche. Immer wieder kam es bei Gruppentrainings auch zu sexuellen Exzessen. Der Verfall Gordons schien die ganze
Liga zu erfassen. Die Meldungen über Mitgliederrekorde nahmen sich aus wie Fieberblasen einer künstlichen, ungesunden Überhitzung. Dazu kamen die sich oft
widersprechenden, rasch wieder revidierten oder widerrufenen Anweisungen des Hauptquartiers, die selbst Panetta nicht zu verhindern wusste. Sie in Zweifel
zu ziehen galt als spirituelles Verbrechen. Die treuen Atmas wussten selbst die bizarrsten Blüten des Chaos zu
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