Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
Vom Netzwerk:
eine kurze Passage aus dem
Buch der Erleuchtung
über die alleinige Führungsrolle des jeweils amtierenden Mahaguru. Danach richtete er sein Wort an Gordon und verlas mit
    eisiger Stimme eine Anklage gegen seinen ehemaligen Gönner, in der er ihm vorwarf, die Autorität des Mahaguru zu untergraben, Unwahrheiten über die Person
    des Mahaguru zu verbreiten und unter den Atmas Verwirrung zu stiften.
    Gordon sprang auf, wollte erwidern, doch Panetta schnitt ihm das Wort ab: „Mahaguru Ken Andersen hat mich gebeten, als Präsident des Hauptquartiers darauf
    zu bestehen, dass du nicht länger an den Sitzungen des inneren Rates teilnehmen wirst und nicht länger berechtigt bist, im Namen der Liga zu sprechen.“
    „Mahaguru Ken Andersen,“ lachte Gordon, der nicht wusste, wie ihm geschah, doch Panetta fuhr mit unbewegter Miene fort: „Daher bitte ich dich, diesen Raum
    zu verlassen und das Liga-Hauptquartier nicht mehr zu betreten.“
    „Wir haben einen Vertrag,“ schrie Gordon. „Ihr brecht einen Vertrag. Ihr verratet die Liga. Sieht denn niemand hier, dass die Macht des Hju missbraucht
    wird?“
    Der arme Gordon. In seiner Erregung berief er sich auf die uralten Adepten, auf das Hju, doch seine Worte prallten an den versteinerten Gesichtern der
    Runde ab. Ted verfolgte die Szene aufmerksam. Seine Augen sprangen von Gordon zu Panetta und weiter zu Andersen, der bleich wie ein Geist neben John am
    Tisch saß und auf seine Akten starrte. Mir war der Auftritt nur peinlich. Ich wünschte nichts sehnlicher, als von all dem verschont zu werden. Ich dachte
    an Details von Ausbesserungsarbeiten, die bei meiner Jacht anstanden.
    Gordon geriet außer sich, als seine Worte wirkungslos verhallten. Er stieß seinen Stuhl zur Seite und wollte auf Andersen losgehen. „Ich habe dir das
    Szepter des Hju niemals wirklich übergeben,“ schrie er, „ich habe dich geprüft und für unwürdig befunden. Du musst den Raum verlassen, du heimtückischer
    Verleumder! Ich bin der wahre Mahaguru!“
    Gordon war in den letzten Jahren dick geworden. Alkohol und Medikamente hatten seinen ohnehin kräftigen Körper schwammig aufgebläht. Von ferne betrachtet,
    auf einer Bühne, wirkte Gordon imposant und stattlich, nur wer ihm nahe kam, sah die Zeichen seines Verfalls. Als er sich auf Andersen stürzen wollte,
    schien es, als würde er den kleinen, zierlichen Mann allein durch die Wucht seines Körpers zermalmen. Ken hob den Kopf und starrte Gordon ungläubig an.
    Panetta und zwei der Abteilungsleiter schoben sich vor Andersen und drängten Gordon ab, ein anderer rannte zur Tür und gab ein verabredetes Zeichen. Zwei
    Ethik-Hüter stürzten herein und packten Gordon. Es war ein würdeloses, abgekartetes Spiel. Andersen wandte sich ab, um das Handgemenge nicht mit ansehen zu
    müssen. Es dauerte nur Augenblicke, bis Gordon sich besann. Ohne Widerstand ließ er sich aus dem Raum führen, einen Fluch gegen Andersen zischend. Einer
    der Abteilungsleiter schloss die Türe hinter ihm.
    Panetta las, als sei nichts geschehen, eine inspirierende Stelle aus dem
Buch der Erleuchtung
.
    „Und wie soll es weitergehen?“, unterbrach ihn Ted. „Gordon wird nicht ohne Weiteres aufgeben. Er wird versuchen, so viele Atmas wie möglich auf seine
    Seite zu ziehen. Wir hatten nach Jasons Tod schon einmal einen solchen Fall, nur ist es diesmal ein langjähriger Mahaguru, der gegen seinen Nachfolger
    kämpft.“
    „Es wird eine Prüfung sein für alle Atmas, eine Prüfung für die Liga, in der sich die Spreu vom Weizen sondert,“ sagte Andersen plötzlich mit Grabesstimme.
    Alle Blicke richteten sich auf ihn. „Die an Personen hängen, werden die Liga verlassen, die das unpersönliche Hju in ihren Herzen tragen, werden den Test
    bestehen. Immer wieder schüttelt der Wind des Hju den Baum der Liga. Nur die gesunden Blätter bleiben an den Zweigen. Alle anderen fallen wie das Laub des
    Herbstes.“
    Panetta und die Abteilungsleiter nickten ergriffen, als würden ein paar weise Worte das Problem aus der Welt schaffen. Es hatte sich in der Liga
    eingebürgert, Unangenehmes mit salbungsvollen Phrasen unter den Teppich zu kehren.
    Ted gab sich mit solchen Plattheiten nicht zufrieden. „Man kann nur hoffen, dass bei all dem Schütteln nicht der Baumstamm bricht.“
    Andersen schaute ihn ungläubig an, als hätte er nicht richtig gehört, Panettas Miene aber verzerrte sich zu einem Grinsen, das wohl freundlich sein sollte.
    „Ted, ich weiß, was du sagen willst,“

Weitere Kostenlose Bücher