Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
befand. Ted
berichtete ihm schonungslos von Gordons Lebensstil. Der neue Mahaguru musste erkennen, dass viele der Gerüchte über seinen Vorgänger, die er früher
entrüstet von sich gewiesen hatte, der Wahrheit entsprachen. In seinem heiligen Eifer stellte er Gordon zur Rede. Es kam zum offenen Streit. Gordon
sammelte einen Zirkel persönlicher Freunde und Verehrer um sich, schrieb Briefe an Vertraute, in denen er kundtat, dass er sich mit dem Gedanken trage, das
Szepter des Hju wieder an sich zu nehmen. Gordon benutzte jede Gelegenheit, um die Autorität Andersens zu untergraben. Seine Eifersucht wurde zu einer
Bedrohung unseres Planes.
„Wir könnten natürlich die beiden gegeneinander aufhetzen und so die Liga spalten, aber damit wäre nichts gewonnen,“ meinte Ted. „Wir brauchen einen
starken Andersen, an dessen Authentizität als Mahaguru niemand zweifelt. Nur dann werden die Atmas ihm glauben, wenn er die Bombe hochgehen lässt.“
Ein zweiter Problempunkt war Panetta. Er durfte von unseren Plänen nicht das geringste ahnen und keinen nennenswerten Einfluss auf Andersen erlangen.
Panetta ließ Andersen von persönlich ausgesuchten Ethik-Hütern bewachen, die ihm alles hinterbrachten, was Andersen sagte und tat. Wir brauchten einen
anderen, uns verpflichteten Bewacher des Mahaguru. Fast zugleich fiel uns John ein, Dr. John Campbell, der Freund und Leibarzt Jasons, der als einziger
ehrlich genug gewesen war, Janes heuchlerische Präsentation Gordons abzulehnen. Er hatte sich nie wieder bei Seminaren oder bei Treffen des inneren Kreises
gezeigt, war aber Mitglied der Liga geblieben und galt den Atmas, die ihn gekannt hatten, als hoher Eingeweihter, der in Zurückgezogenheit lebte, betraut
mit Geheimmissionen der uralten Adepten. Wir hatten mit ihm losen Kontakt gehalten, weil wir ihn als Freund schätzten. Er hatte seine Illusionen über die
Mahagurus verloren, hielt aber an der Meinung fest, die Grundideen Jasons könnten der Welt von Nutzen sein. John, der ein Jahr zuvor seine Arztpraxis
aufgegeben hatte, ließ sich überreden, „auf seine alten Tage“ noch einmal im inneren Kreis der Liga aktiv zu werden. Es war nicht schwierig, ihn zu
überzeugen, denn er fühlte sich einsam auf seinem Landsitz im Napa-Valley, plötzlich untätig nach einem arbeitsamen Leben. Seine Ehe mit der schönen Dawn
war längst geschieden, mit einer neuen Beziehung stand es nicht zum besten. Wir weihten ihn nur so weit in unsere Pläne ein, dass er begriff, dass Andersen
von schädlichen Kontakten mit Panetta und anderen Fanatikern ferngehalten werden musste, dass es galt, die Liga möglichst rasch auf einen reinen
spirituellen Weg zurückzuführen. Der gute John. Er erledigte seine Aufgabe mit Bravour. Irgendwann hat er vermutlich geahnt, dass eine echte
„Spiritualisierung“ der Liga nur durch ihre Zerschlagung möglich war.
Panetta beschnüffelte den Rückkehrer misstrauisch, war aber machtlos, da John von uns protegiert wurde. Ted wusste es geschickt einzufädeln, dass John
wieder Leibarzt des Mahaguru wurde, sein persönlicher Betreuer und Begleiter. Andersen fasste rasch Vertrauen zu dem Mann, der unberührt war von
Machtspielen, der sich nicht um Positionen kümmerte, für niemanden Partei ergriff, sondern in seiner rauen Herzlichkeit die Prinzipien spiritueller
Weisheit praktisch zu leben schien.
Als Andersen beim nächsten Treffen den Abteilungsleitern des Hauptquartiers John vorstellte und mitteilte, dieser Eingeweihte des vierten Kreises sei
zurückgekehrt in seine Stellung im inneren Rat der Liga, um den Heilungsprozess der Liga zu unterstützen, kam es zum Eklat. Die Spannungen zwischen Gordon
und Andersen entluden sich an diesem unbedeutenden Punkt. Gordon widersprach heftig, wollte John aus dem Raum weisen, verkündete, John habe seine
Einweihungen längst verloren. Er hatte nicht vergessen, dass John damals als einziger im inneren Kreis demonstriert hatte, dass er den Geliebten Janes
nicht für den legitimen Nachfolger Jasons hielt. Wir hatten diesen Widerspruch erwartet. Er lieferte uns den Anlass, einen Plan in die Tat umzusetzen, den
Panetta entworfen und mit Andersen, Ted und mir abgesprochen hatte.
Panetta erhob sich feierlich, zog ein Papier aus einer Mappe und klopfte auf den Tisch. Als Präsident des Hauptquartiers fungierte er als Moderator solcher
Treffen. Die Abteilungsleiter des Hauptquartiers waren ihm treu ergeben und vorher instruiert worden. Panetta rezitierte
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