Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Beruhigung seines aufgewühlten Geistes wirkte dieser
Name, der die Wirklichkeit zurückholte. Er musste schrecklich geträumt haben. Aron versuchte sich an Bilder eines Traumes zu erinnern, aber er fand nur
eine schwarze Mauer, einen Schleier des Vergessens, der nicht einmal Ahnungen von Bildern ins Bewusstsein entließ. Selbst die Erinnerung, ob er überhaupt
geträumt hatte, blieb ihm verwehrt. Er beruhigte sich etwas, lag still auf dem Rücken, atmete bewusst und langsam, schloss die Augen wieder und versuchte,
zurückzutauchen in den Raum des Schlafes, doch es gelang ihm nicht. Als er beginnen wollte, still das Hju zu singen, überfiel ihn Übelkeit, dass er nach
Atem ringend hochfuhr. Als er spürte, dass er sich doch nicht übergeben musste, sank er stöhnend in die Kissen zurück. Seine Glieder schienen zerschlagen
und ermattet. Die Schwere seines Herzens wollte sich nicht lösen. Aron schob es der Aufregung zu, hier im spirituellen Zentrum der Liga die Nacht
verbringen zu dürfen, als einer der Auserwählten, die überhaupt die Genehmigung besaßen, ihren Fuß auf diese geheiligte Erde zu setzen. Aron lächelte. Er
dachte an die Audienz mit dem Mahaguru, dachte daran, dass seine Zweifel nun für immer zerstreut waren, dass es kein Abirren mehr gab vom wahren Weg des
Hju, dass er Antworten gefunden hatte auf seine Fragen, und doch, wie das Echo eines verborgenen Tones spürte er, dass tief in ihm neuer Widerstand gegen
den Weg der Liga gewachsen war. Er wollte ihn fortwischen wie etwas Lästiges, das seinen neu gefundenen Frieden störte, aber es gelang ihm nicht. Erneut
versuchte er, das Hju in sich rollen zu lassen, kämpfte die Übelkeit nieder, die sich sofort wieder regte, spürte, dass sein Widerstand wuchs, dass alles
in ihm sich sträubte gegen das Mantra der Liga, schrieb es der unruhigen, traumlosen Nacht zu, seiner Aufregung, seiner Verwirrtheit. Und wirklich, als er
sich schließlich aus dem Bett quälte und in der Badezelle seinen Körper dem kühlen Wasser der Dusche aussetzte, schien dieses schreckliche Erwachen nicht
mehr wirklich. Im Rauschen des Wassers sang er laut das Hju und sammelte seine Gedanken für den kommenden Tag.
Die Tage in Blackwater waren streng geregelt. Aron gehörte zu einer Gruppe ausgewählter Akademieabgänger aus aller Welt, denen das Privileg gewährt worden
war, an einer Weisheitsschulung im spirituellen Zentrum der Liga teilzunehmen. Da er zu den drei besten gehörte, die eine Audienz beim Mahaguru bekommen
hatten, galt er als besonders hochstehend und wurde von den anderen mit aufmerksamer Achtung behandelt. Jeder der Auserwählten war sich bewusst, dass es in
diesem Kreis der künftigen Liga-Elite galt, Freunde zu gewinnen, Verbindungen zu schaffen, an die sich später anknüpfen ließ.
Die jungen Atmas waren angewiesen, das Schulungsgebäude, an das sich der Trakt mit den Gästezimmern anschloss, nicht zu verlassen, aus Sicherheitsgründen,
wie es hieß. Die Akademieabsolventen fügten sich ohne Murren. Heiliger Respekt vor diesem Ort erfüllte sie. Nur auf besondere Einladung des Hauptquartiers
durften Atmas das hermetisch abgeriegelte Gelände in der Wüste Arizonas betreten. Fünf der EHs, die ständig in Blackwater lebten, waren für die Einteilung
und Überwachung der Schul- und Dienstpläne verantwortlich. Die jungen Atmas begegneten ihnen mit Ehrfurcht. Diese EHs waren auch für die Weisheitsschulung
zuständig, hielten Vorträge über Menschenführung im Geiste des Hju, über Methoden, Feinde der Liga zu bekämpfen, über Strategien, fremde Organisationen
oder öffentliche Organe zu unterwandern oder die Medien für die Sache der Liga zu gewinnen. Von jedem der Vortragenden hörten die Atmas, dass sie nun zur
Elite der Liga gehörten, zu denen, die an vorderster Front für das Hju zu kämpfen hatten. Es wurden ihnen geheime Schriften vorgelesen, Nachträge zum
Buch der Erleuchtung
, die den höheren Einweihungszirkeln vorbehalten waren. Hier fanden sich Aussagen, über die Aron schon Gerüchte gehört hatte,
über die Minderwertigkeit aller anderen geistigen Systeme und Religionen, über subtile psychische Methoden des Missionierens und Gewinnens neuer
Mitglieder, über Techniken der Gedankenmanipulation und der Beeinflussung anderer. „Für die Verbreitung des Hju, für die Spiritualisierung der Erde, ist
jedes Mittel erlaubt, auch wenn es im scheinbaren Widerspruch zu menschengemachten Gesetzen steht. Die Ethik des Hju
Weitere Kostenlose Bücher