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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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Für Augenblicke schien sein Körper wie geschmolzenes Metall, das rasch erkaltete
    und zu einer Form gerann, schien sich zu bewegen im Rhythmus eines gewaltigen Atems, der ihn dehnte und wieder zusammensinken ließ.
    „Sein kleines Selbst ist zu Asche gebrannt,“ höhnte die Stimme des Mahaguru, „vertilgt ist alle Schlacke in ihm, dass er ein reines Gefäß zu sein vermag
    für einen Fürsten der Nokam. Welche Ehre ist diesem vergänglichen Stück Fleisch widerfahren. Zont ist zu uns gekommen, der Hüter des Feuerorakels, die
    Stimme und Weisheit des Be’el.“
    Aron wand sich. Sein Atem stockte, als er daran dachte, dass auch ihm dieses Schicksal bevorstand, dass auch er auserwählt war, sich im Feuer des Hju einem
    Nokam zu opfern. Die dunkle Kraft aber, die noch immer sein Inneres erfüllte, besänftigte ihn, riss die Wurzeln seiner Angst aus und umschmeichelte ihn mit
    einem Gefühl des Stolzes, nun endlich, nach so vielen Leben, seine Mission für das heilige Hju vollenden zu dürfen.
    Aus Panetta war ein mit Dunkelheit angefüllter Schemen geworden, der seine menschliche Gestalt nur mehr als Larve trug, ein wesenloses Gefäß der
    Dunkelheit.
    „Wo ist er hin?“, flüsterte Aron, der in einen dumpfen Zustand traumartiger Betäubung sank.
    Der Mahaguru gluckste vor Lachen und machte eine abfällige Bewegung. „Zerstäubt in das Nichts seiner Illusion ist dieses kümmerliche Selbst. Es hat sich
    erschöpft in dem Zweck, den Nokam zu dienen. Es wurde fortgeschüttet wie unreines Wasser, um die Schale mit dem Nektar reiner Dunkelheit zu füllen. Die
    Große Einweihung hat ihn für immer geläutert. Doch sieh nur, seine erste Handlung wird ein Dankopfer für die Nokam sein.“
    Ein junger Mann wurde rasch hereingeführt, kniete nieder vor Panetta, beugte sein Haupt in Verehrung, ein hoher Offizier der Ethik-Hüter, den Aron bei
    seiner Ankunft in Blackwater gesehen hatte, Richard, Panettas Sohn. Aron sah, wie ein Messer in Panettas Hand blitzte, wie im nächsten Augenblick Richard
    mit durchtrennter Kehle zu Boden sank, ohne einen Laut von sich zu geben. Seine Augen, sein Gesichtsausdruck schienen in fassungslosem Staunen gefroren.
    Aus seinem Hals quoll Blut in mächtigen Stößen. Wie ein Blut speiender Rachen schien die Wunde.
    „Das Gesetz der Nokam will es so,“ sagte der Mahaguru ungerührt. „Wenn einer der Nokam die Brücke überquert, muss ein Mensch sein Leben im Tausch geben.
    Das ist der Preis für die Unsterblichkeit, die man durch die Große Einweihung erlangt. Das Leben eines Menschen als Abgeltung für das eigene, als Zeichen
    für das Hingeben des eigenen an die Nokam. Ein geliebter Mensch muss sterben, denn in der Großen Einweihung wird auch die Liebe vernichtet, um der Macht
    Raum zu schaffen. Auch ich liebte Ted Elliot und John Campbell, obwohl ich jetzt weiß, dass sie mich feige betrogen haben. Ihr Tod war Opfer und Strafe
    zugleich, als Xerck über die Brücke kam.“
    Schmerz flutete durch Aron. Aus den Tiefen seines Geistes, verwischt von der Kraft, die ihn beherrschte, trat die Erinnerung an Judith, zerbrochen in
    Splitter, ihr Gesicht, ihre Augen, ihre Hände, die über seinen Kopf streichen, ihre Lippen, die ihn küssen, ihr warmer Körper, der sich an ihn schmiegt in
    zärtlicher Umarmung.
    „So vermag er nicht mehr zu lieben?“, fragte Aron und spürte die Erinnerung an seine Nacht mit Judith in Mitgefühl für Panetta zerfließen.
    „Liebe ist alberne Verblendung der Unwissenden, die wahre Macht nicht kennen.“ Der Mahaguru lachte, Aron aber, in seinem träumenden Hinfließen, schüttelte
    trotzig den Kopf.
    „Steht nicht im
Buch der Erleuchtung
, dass Liebe die höchste Macht ist?“ Aron dachte die Worte nicht, die er sagte, sie flossen wie von selbst
    über seine Lippen, während die zerstückelten Gedanken an Judith in seinem Kopf tanzten wie Licht auf bewegter See.
    Das glucksende Lachen des Mahaguru kippte in schrilles Zischen. „Auch das
Buch der Erleuchtung
ist nur ein Werkzeug der Nokam. Die Masse braucht
    romantische Illusionen, um sich für eine Sache zu begeistern. Ist die Energie der Begeisterung einmal geweckt, wird sie auf ihren wahren Zweck gelenkt, auf
    das Erkennen der Macht der Nokam. Dann muss die Illusion der Liebe sterben. Auch in dir muss die Liebe sterben, Aron. Sie ist die letzte und stärkste
    Verblendung, die dich von der Erleuchtung wahrer Macht abhält, eine törichte Emotion, die in der Großen Einweihung für immer im Nichts

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