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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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verschwinden wird.“
    Aron senkte den Kopf. Etwas in ihm, verloren unter dem Berg von Dunkelheit, der in ihm gewachsen war, der seine Gedanken zermalmte, sie der Wahrheit der
    Nokam gefügig machte, regte sich Widerstand, ein ersticktes Aufbäumen eigenen Willens, aufgerührt von der unablässig fließenden Erinnerung an Judith, von
    Gedanken an Ben, den er geliebt hatte wie einen Bruder. Jeder dieser Gedanken, der sich sperrte gegen die Nokam, verursachte tobende Schmerzen. „Ist nicht
    die Liebe selbst die stärkste Macht?“, flüsterte Aron mühevoll, verzweifelt, als er spürte, wie auch diese letzten eigenen Regungen von der unbarmherzigen
    Gewalt in ihm zerstampft wurden.
    Als diese Worte qualvoll wie brennende Kohlen über seine Lippen flossen, als er staunend hörte, wie sie zu Klang wurden, fiel für einen Augenblick alle
    Verblendung von ihm ab. In dieser kurz aufblitzenden Klarheit erkannte Aron, was wirklich mit ihm geschah. Die fremde Macht, die in ihm lebte und dachte
    und fühlte, war für diesen Augenblick aus ihm gebannt. Tödlicher Schrecken durchfuhr ihn, eine Panik, wie er sie nie gekannt, als er spürte, dass die Kraft
    der Nokam nur zurückgezuckt war, dass sie sofort wieder nach ihm griff, ihn drängte, das Hju rollen zu lassen, um die Türen seines Bewusstseins erneut zu
    öffnen. Er fühlte, wie Klammern der Ohnmacht sich wieder um ihn schlossen.
    „Liebe allein den Mahaguru,“ flüsterte es in ihm, „liebe ihn, indem du das Hju singst.“
    „Nein!“ Aron schrie und zog die Aufmerksamkeit der dunklen Schemen auf sich, die still verharrten und zusahen, wie die leere, ausgebrannte Hülle, die
    Patrick Panetta gewesen war, sich füllte mit dem Feuer undurchdringlicher Dunkelheit. Aron schrie, um die sterbenden Reste eigenen Bewusstseins zu
    bewahren, um die Spuren des Lichts zu hüten, die von diesem Blitz der Erkenntnis zurückgeblieben waren wie das Flackern eines Kerzenstummels. Die Macht der
    Nokam brannte sich wieder in ihn, doch er sträubte sich, lehnte sich auf, trieb mit eisernem Willen das Hju aus seinen Gedanken, den Namen der Finsternis,
    der dem Bösen Einlass gewährte in sein Innerstes. Rasende Schmerzen überwältigten ihn. Aron krümmte sich wie unter Stichen glühender Messer.
    „Er ist noch nicht bereit,“ rief die Stimme von Avatar Yortam, schroff und abweisend. Der Mahaguru, der bisher gesprochen hatte, ohne Aron anzublicken,
    wandte sich ihm blitzartig zu. Nun sah Aron zum ersten Mal seine Augen, dunkel glühende Kohlen, nicht die Augen eines Menschen, die Lichter eines
    Raubtiers, eines Dämonen. Aron wich zurück, noch immer schreiend.
    „Du wirst diesen Traum vergessen, du Verräter!“ Die Stimme des Mahaguru hatte das Schmeichelnde, Einwiegende verloren. Sie klang schrill und kreischend,
    von verachtendem Hass erfüllt.
    Der Mahaguru berührte Arons Kopf. Aron spürte, wie sich eine Hand, kalt wie Eis, auf seine Stirne legte und er spürte, wie eine andere nach seinem Herzen
    griff. Ein Strahl Eiswasser, das zugleich wie Feuer brannte, schien in diesem Augenblick in die Kammern seines Herzen einzudringen und machte es schwer wie
    Blei. „Wo du auch bist, dein Herz gehört den Nokam,“ sagte der Mahaguru, „auch wenn du alles vergessen wirst, was du heute gesehen hast, wird die Macht der
    Nokam für immer in dir wohnen.“
    Die glühende Kälte wurde unerträglich. Arons Schreien hallte wider in der Pyramide der Nokam, zu Tausenden Echos gebrochen. Mit letzter Kraft wehrte er
    sich gegen das Dunkel, das von der Hand des Mahaguru an seiner Stirn flutete. Es ergriff sein Bewusstsein, löschte es aus. Arons Herz krampfte sich zu
    einem Eisklumpen, schoss Strahlen wilden Schmerzes in alle Zellen seines Körpers. Augenblicke nur vermochte er ihm standzuhalten, dann brach er, wurde
    fortgerissen, ertrank in gestaltlosem Schwarz, das alles Denken, alles Fühlen, alles Sein mit einem Streich zunichtemachte.
    Als Aron erwachte, spürte er sein Herz stolpern. Er lag schweißgebadet auf dem Bett. Die Bettdecke hing zu Boden, nur ein Zipfel davon hatte sich um seinen
    Knöchel gewickelt. Aron glaubte, er sei gefesselt, riss in Panik den Fuß nach oben, setzte sich auf. Das Herz lag wie ein kalter, zuckender Stein in der
    Brust. Sein erster Gedanke war, dass er einen Herzanfall erlitten hatte. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich erinnerte, wo er sich befand.
    Morgenlicht sickerte durch die Vorhänge vor dem kleinen Fenster seiner Zelle. Blackwater. Wie eine

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