Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Mysterium der Nokam. Es ist der Name der Finsternis, der die Herzen öffnet für die Kraft des Dunklen, es ist das magische Machtwort,
welches das ewig ruhende Dunkel in Bewegung versetzt und aus ihm den Kosmos erschafft. Vor langer Zeit war die schaffende Hand der Finsternis den Nokam
einmal verloren, wurde missbraucht für die vergängliche Schöpfung des Lichtes, galt als Name schwacher Götter und wirkte als Beschwörung niedriger Kräfte.
“
Aron glaubte Dinge zu hören, die ihm lange schon bewusst waren.
„Doch die Nokam haben es zurückerobert in den Tempeln Ägyptens und du, Aron, warst dabei ihr Werkzeug, hast dein Leben gegeben für das Hju. Daher bist du
auserwählt, auch heute ein Gefäß des Hju zu sein, das Fleisch eines Nokam, ein Träger höchsten Bewusstseins.“
Plötzlich bemerkte Aron, dass noch eine Person in dem Raum war. Patrick Panetta trat in den Kreis der dunklen Gestalten. Sein Gesicht war zu einer Grimasse
gefroren, von der Aron nicht wusste, ob sie ein Lächeln war oder Ausdruck unvorstellbarer Qual. Wie in Trance starrte er in das Feuer, das wild in seiner
Schale sprang.
„Auch er hat sich ganz den Nokam geopfert, auch sein Bewusstsein ist ein reiner Kanal für die Kraft, die über dem Licht steht,“ sagte der Mahaguru und zog
Aron zur Seite. „Er ist in seinem fleischlichen Leib herabgestiegen in die heilige Pyramide der Nokam, denn er wird heute die Große Einweihung erhalten.
Beobachte gut, was ihm geschieht. Die Nokam wünschen, dass du es siehst, denn etwas von der Kraft, die ihn erfüllt, wird auch dich berühren, um dich
vorzubereiten für deine Aufgabe.“
Aron war unfähig zu antworten. Er nickte abwesend und starrte Panetta an, der unbeweglich, mit leerem Blick, im Kreis der Nokam stand.
Das leise glucksende Lachen des Mahaguru lenkte ihn ab. „Patrick war lange ein unbewusstes Instrument der Nokam, nun aber wird sein Geist erwachen zu
seiner wahren Bestimmung. Durch ihn haben die Nokam gehandelt, als die Zeit reif war, das Bewusstsein des irregeleiteten Mahaguru zu retten. Er hat die
Liga vor der Zerstörung bewahrt. Nun erhält er den Lohn für seine unbewusste, scheinbar frevlerische Tat. Er strebte nach absoluter Macht. Nun wird er sie
bekommen.“
Der Kreis der dunklen Wesen schloss sich enger um Panetta. Noch immer stand er unbeweglich, den Blick in das Feuer versenkt. Plötzlich beugte er sich nach
vorne, als habe eine unsichtbare Hand seinen Nacken gepackt. Sein Gesicht näherte sich der Feuerschale, doch die starre Grimasse löste sich nicht. Mit
grausigem Lächeln tauchte Panetta seinen Kopf in die Flammen, die hoch emporzüngelten und in einer Explosion seinen ganzen Körper einhüllten. Völlig
lautlos geschah dies alles. Panetta blieb in dem Feuersturm so unbewegt wie zuvor.
„Das heilige Feuer brennt ihn aus, löscht sein weltliches Ich für immer und macht seinen Leib zur Wohnung eines Nokam,“ sagte der Mahaguru. „Die geheimen
Tore öffnen sich. Sein Fleisch wird die Finsternis enthüllen. So will es das uralte Ritual, das die Körperlosen eintreten lässt in das Leben dieser Welt.
Das reinigende Feuer ist ihr Mutterschoß. Nie sind diese Unbefleckten besudelt von der Geburt aus einem Mutterschoß.“
Mit Entsetzen sah Aron, wie eine der dunklen Silhouetten sich aus dem Kreis der anderen löste, wie sie hintrat zur Feuerschale und sich in ihr auflöste.
Die formlose Finsternis floss ein in das Feuer, nährte die Flammen wie schwarzes Öl. Hoch loderte es auf, brannte sich ein in den regungslos
niedergebeugten Panetta. Einen Augenblick schien es, als löse sich auch sein Körper ganz in den Flammen auf, als zerfließe seine Form im Prasseln und
Lodern des Feuers. Für kurze Zeit war allein der Flammensturm sichtbar, der den Raum anfüllte, der hochschlug bis zur Spitze der Pyramide. Aron hielt
schützend den Arm vor das Gesicht, doch er spürte keine Hitze. Es war ein kaltes, dunkles Feuer, lodernde eisige Finsternis, wie jene, die im Abgrund unter
der Brücke glühte, doch Aron wusste, dass ihre Kraft vernichtender war als alles, was er sich vorzustellen vermochte.
„Sieh, das brennende Hju,“ flüsterte der Mahaguru, „das lichtlose Feuer, die gebärende Finsternis, das Mysterium der Nokam.“
Im nächsten Augenblick erlosch das Feuermeer. Nur eine einzelne Flamme stichelte wie zuvor in der Schale. Langsam richtete sich Panetta aus seiner
gebeugten Haltung auf, wuchs empor, als strecke er sich zu neuer Gestalt.
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