Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
etwas von deinem Auftrag. Ich werde dir eine Telefonnummer geben, unter der du mich jederzeit erreichen kannst. Wähle sie, sobald das Gelbe Buch in
deinen Händen ist.“
Panetta machte eine Pause. Das Sprechen hatte ihn angestrengt. Er atmete schwer. Aron wollte sich erheben, um das Zimmer zu verlassen, aber eine
Handbewegung des Liga-Präsidenten hielt ihn zurück.
„Eines noch, Aron. Hüte dich vor dieser Redakteurin der
Wahrheit
. Sie gehört nicht zu den Menschen, mit denen ein Atma in deiner Position Umgang
pflegen sollte.“
Aron wollte protestieren, aber Panetta winkte ungeduldig ab.
„Machen wir uns nichts vor. Glaube nicht, dass uns die wahre Einstellung dieser Frau verborgen geblieben ist, nur weil sie linientreue Artikel für die
Wahrheit
schreibt. Sie nutzt der Liga mit ihrem Talent, darum lassen wir sie in dieser Position gewähren. Aber wir wissen gleichzeitig, dass sie
eine Verräterin ist. Sie hetzt Atmas gegen die Liga auf. Sie plant subversive Aktionen. Die Strafe des Hju wird sie treffen, wenn sie in ihrer lächerlichen
Selbstüberschätzung am wenigsten damit rechnet.“
Aron blickte betreten zu Boden. Er wusste nichts zu entgegnen.
„Du bist verliebt in sie. Nun, das wird sich geben. Widme dich ganz deiner Mission. Beherrsche deine Emotionen. Auch das ist Teil deiner Vorbereitung auf
die Große Einweihung, ein Opfer für das Hju.“
Panetta begegnete Arons Erstaunen mit verächtlicher Grimasse. „Die Zimmer der Akademieabsolventen, die von der Liga zum Seminar eingeladen wurden, waren im
Holiday Inn gebucht. Judith Deleo aber wohnte in einem der Zimmer für das Personal des Hauptquartiers im Radisson. Willst du etwa behaupten, du hättest
nicht in Judiths Zimmer im Radisson die Nacht verbracht?“
„Nein,“ gestand Aron.
„Vielen Atmas verdreht die hohe Schwingung eines Seminars den Kopf, dass ihnen nichts besseres einfällt, als sich unsterblich zu verlieben. Für viele ist
ein solches Seminar wie ein Rausch, der ihre Vernunft lahmlegt. Das mag einerseits begrüßenswert sein, weil sich ihr Bewusstsein umso weiter für die Macht
der uralten Adepten öffnet. Du aber solltest über diese Stufe erhaben sein. Betrachte deine Nacht mit Judith als Eskapade. Sie ist es ohnehin nicht wert,
Liebe zu investieren. Sie hat schon zu vielen Atmas des Herz gebrochen. Für sie bist auch du nur eine flüchtige Affäre.“
Bevor Aron entgegnen konnte, spreizte Panetta warnend die Finger seiner linken Hand, um anzuzeigen, dass dieses Thema erledigt war.
„Du bist Walt Mason auf Bali begegnet.“
Aron nickte resigniert.
„Hat er dir gesagt, wo du ihn wiedertreffen kannst? Lebt er ständig auf Bali?“
„Nein.“
„Wo also willst du nach ihm suchen, um das Gelbe Buch für die Liga zu gewinnen? Hast du etwa erwartet, dass ich es dir sage?“
Aron errötete. Er wusste, dass er auch vor Panetta nichts geheim halten konnte. Zugleich zerriss es ihm das Herz, Judith zu verraten. Es ist auch zum
Nutzen Judiths, dachte er wie zur Entschuldigung, ich werde sie zurückführen auf den Weg des Hju.
„Judith hat mir gesagt, dass ich ihn in Kathmandu finden kann. Sie gab mir eine Telefonnummer…“
Wieder zerfloss Panettas Gesicht zu einer grinsenden Maske. „So hatte die Nacht mit der schönen Judith doch einen tieferen Sinn. Es war eine Führung des
Hju zum Nutzen deiner Mission für den Mahaguru.“
Aron wollte noch einmal ansetzen, Judith zu verteidigen, wollte beteuern, dass er alles tun würde, um sie zurück auf den Weg der Liga zu leiten, aber die
Worte wollten nicht über seine Lippen.
Panetta blickte einige Augenblicke schweigend auf Aron, bevor er mit kalter Stimme sagte: „Vertraue dem Hju. Durch das Hju bist du jeden Augenblick mit der
Macht der Nokam verbunden. Nutze diese Macht zur Erfüllung deines Auftrags gegen die Feinde der Liga. Gehe mit klarer, unerbittlicher Disziplin vor.“
Panettas Gesicht schien zu versteinern. Seine Augen erloschen. Aron erhob sich, verbeugte sich steif und verließ den Raum. Er wagte nicht, sich noch einmal
umzusehen.
Kapitel 21
Das gelbe Buch X
Patrick Panetta wusste seinen Auftritt auszukosten. Mit Elan trat er hinaus auf die Bühne, vor die Atmas, die von den Liedern der
Heavenly Lights
aufgerührt waren, wiegte das Mikrofon in der Hand, blickte lange über die voll besetzten Ränge, bevor er seine tiefe, sonore Stimme erklingen ließ. „Wir
singen das Hju, das allmächtige Mantra der uralten Adepten, das schaffende
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