Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
versammelt sehen vor der heiligen Flamme und du darfst diese Verräterin sterben sehen, bevor
dein eigenes Blut dem Hju zum Opfer fließt.“ Der Mahaguru gab einem EH einen Wink. „Der nun die Große Einweihung erhält, kannte schon in den Zeiten Atlans
keinen Zweifel am Be’el, du aber wolltest in deiner Verblendung selbst ihn anklagen vor mir.“
Die Türe, durch die Aron hereingekommen war, öffnete sich. Ein EH trat ein und hinter ihm Peter Crapp, sein gefrorenes Lächeln auf dem Gesicht. Er neigte
sich tief vor dem Mahaguru.
Aron hatte aufgegeben, sich zu wehren, hing apathisch im Griff des EH. Er starrte Crapp ungläubig an und doch schien es schlüssig, dass gerade Crapp jetzt
in diese Kammer trat. Die Augenblicke heftigster Angst und Verzweiflung hatten Aron ausgebrannt. Alles war verloren. Der Faden der Hoffnung, der ihn auf
seinem schweren Gang nach Blackwater geleitet hatte, war gerissen. Aron spürte Leere in sich, keine Bitterkeit, keine Angst, nur Leere. Er wandte den Kopf
zu Judith, sah sie auf dem schwarzen Altar, starr wie eine Tote, doch heftig atmend, das Siegel auf ihrer Brust hebend und senkend. Er würde sterben mit
ihr. Auch diese Vorstellung schien keine Emotion in Aron zu regen. Er hatte versagt, doch zugleich fühlte er, dass ihn die böse Kraft nicht mehr
beherrschte, dass sie keine Macht mehr über seine Gedanken und Gefühle besaß. Mochte er sterben, mochten sie ihn schlachten wie ein Opfertier, der Name der
Finsternis würde ihn nicht mehr berühren. Dies war der Sinn seines Weges in die Kammer des Bösen. Er vermochte den Lauf der Dinge nicht aufzuhalten, doch
er vermochte sich selbst zu lösen aus uralten Klammern des Schicksals. Klarheit wuchs wieder in ihm. Die durch Stürme wilder Verzweiflung zerstörte stille
Weite kehrte zurück. Was sich vor seinen Augen abspielte, war Illusion. Sie konnten seinen Körper töten, seine Gedanken und Gefühle auslöschen, seinen
Geist aber vermochten sie nicht mehr zu erreichen. Sein Tod würde die letzten Bindungen an diesen Kreis der Dunkelheit zerreißen, in dem er für endlose
Zeiten gefangen gewesen war. Es war gut, in dem Wissen zu sterben, dass der Tod Freiheit bedeutete.
„Du kommst im rechten Augenblick, Peter,“ sagte der Mahaguru mit honigsüßer Stimme. „Zuverlässig wie immer.“
„Edith und ich sind soeben angekommen,“ entgegnete Crapp und verbeugte sich erneut.
„Edith?“, fragte der Mahaguru scharf.
Crapp wurde unsicher, blickte sich um. In diesem Augenblick trat Edith Wolff herein und schloss die Türe hinter sich. Aus den Augenwinkeln sah Aron zu ihr
hinüber. Bens Mutter, eine zierliche Dame in einem eleganten flaschengrünen Kostüm.
Der Mahaguru blickte Panetta an, der knapp den Kopf schüttelte.
„Wir haben uns in dem Hotel getroffen, in dem mich der EH abholen sollte,“ stotterte Crapp, versuchte, die unausgesprochene Frage des Mahaguru zu
beantworten. ‚Ich bin auch nach Blackwater eingeladen, ganz überraschend,‘ sagte sie und zeigte mir ein Schreiben mit der Unterschrift des Mahaguru, ein
Brief auf dem persönlichen Briefpapier des Mahaguru. ‚Wir sollen zusammen fahren. Der Wagen wird gleich hier sein.‘ Sie zeigte den Brief auch dem EH… Sie
ist die höchste Eingeweihte Europas… Sie ist doch eingeladen… oder?“
Der Mahaguru richtete seinen Blick auf Edith, die an der Türe stehen geblieben war und ihre Augen im Raum umherwandern ließ. Ein Lächeln flog über ihr
Gesicht, als sie Crapp stottern hörte.
„Was vermag nicht eine Unterschrift des Mahaguru? Blinder Gehorsam gegenüber einem Briefbogen und einer Unterschrift. Vor lauter Ehrfurcht kommt nicht
einmal ein EH auf den Gedanken, dass sie gefälscht sein könnte.“
Panetta gab den EHs einen Wink. Im gleichen Augenblick sah er die Pistole, die Edith aus ihrer Handtasche gezogen hatte. „Keine Szene, Patrick,“ sagte sie
mit gespielter Ruhe. Die EHs hielten in ihrer Bewegung inne, einer aber, der sich unangreifbar glaubte im Schutze des Hju, stürzte todesmutig auf Edith zu.
Der Schuss traf ihn in die Stirn. Der trockene Knall brach sich tausendfach in der Pyramidenkammer. Stumm stürzte der EH, fiel vor Ediths Füße. Sie trat
einen Schritt zur Seite und griff erneut in ihre Handtasche. Seltsam roh wirkte das olivfarbene metallene Ei einer Handgranate in ihrer feingliedrigen
weißen Hand. „Es ist erstaunlich, welche niedlichen Spielzeuge man in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten ohne
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