Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
erfüllt,“ sagte der Mahaguru.
Wieder nickte Aron. Er schien unfähig zu sprechen, als könnte jedes Wort seine schützende Hülle aus Schweigen zerbrechen. Er öffnete seinen Rucksack, nahm
das Gelbe Buch heraus und bot es den beiden Nokam dar.
Der Mahaguru lachte. Patrick Panetta fiel in dieses kalte, zynische Lachen ein, das in rauem Zischen verebbte.
„Das Buch ist unnütz,“ krächzte der Mahaguru. „Es enthält nur die Lügen und Fantastereien eines Verblendeten, der für seine Vermessenheit gebüßt hat. Ein
Buch vermag den Nokam nicht zu schaden. Pack es weg. Es ist unwichtig. Gib es später einem EH, der es verbrennen soll.“
Aron ließ die Hand sinken und steckte das Gelbe Buch zurück.
„Aber du hast deine Mission vorbildlich erfüllt. Du hast uns den Weg zu diesem Verräter gewiesen, du warst der Bote, der ihm die Strafe des Hju ins Haus
brachte.“ Wieder lachte der Mahaguru. „Vor allem aber hast du der Liga das heilige Zeichen zurückgegeben, das Siegel der Flamme, das die Verräter gestohlen
hatten in dem Augenblick, als der Mahaguru die Große Einweihung erfuhr, als Xerck sich herabneigte zu ihm.“
Der Mahaguru deutete auf den Stein. „Das heilige Feuer des Be’el ist in ihm bewahrt, die Macht der Nokam. Die Schicksale unzähliger Menschen haben sich
berührt, um den rechten Weg dieses Siegels zu leiten, das in den Händen Uneingeweihter nur leblose Materie ist. Selbst die Mahagurus waren sich lange
seiner wirklichen Kraft nicht bewusst, bis die Stunde gekommen war, als Xerck über die Brücke ging, um mich zu erleuchten, als das Siegel der Finsternis an
meinem Herzen erglühte, als seine schlafende Kraft erwachte. In dieser Stunde der Erfüllung aber wurde es geraubt. Die bösen Mächte hatten sich verschworen
gegen die Nokam. Sie wollten verhindern, dass die Urkraft des Dunklen zurückkehrt auf die Welt.“
„Aber sie sind zurückgekehrt.“ Aron zwang sich zu diesen Worten. Er durfte keinen Argwohn erregen. Der stille Zeuge in ihm beobachtete, wie sein Mund
sprach, ungerührt.
„Sieh mich an, Aron. Zum Krüppel ist dieser Körper geworden durch die Energie der Großen Einweihung. Das Feuer des Be’el muss mich stets umgeben. Nur seine
wärmende Glut hält mich am Leben. Nur für kurze Zeit vermag ich ohne sie zu sein. Xerck wohnt in einem verfallenen Leib.“ Er wandte sich zu Panetta. „Auch
dieses Fleisch leidet, weil nicht das heilige Siegel die Mächte der Großen Einweihung leitete. Nun aber hast du uns das kostbare Kleinod wieder verschafft,
den Schatz, der aus dem Herzen des Be’el stammt, von seinem Bildnis, in dem schon das heilige Feuer brannte, bevor die Kulturen von Atlan blühten. Schon
einmal hast du den Nokam diesen Dienst erwiesen, als machtgierige Zauberer in Ägypten das Insignum des Be’el gestohlen und durch böse Magie verdorben
hatten. Nun wirst du die Belohnung für diese Taten erhalten, die deine tiefe Schuld sühnen. Xerck, dein Meister, den du verrietest, steht vor dir und
fordert dein Herz, um es mit der Erleuchtung der Nokam zu belohnen. Avatar Yortam wird sich gnädig zu dir herabneigen, wird deinen Körper und deinen Geist
mit unsterblicher Weisheit durchdringen. Du hast das Juwel der heiligen Flamme gerettet und du sollst der erste sein, der seine wirkliche Macht verspürt.
Nicht den geringsten Schaden wird dein Leib aus vergänglichem Fleisch erleiden, wenn der große Yortam dich berührt. Bist du bereit?“
Aron nickte. Seine Hand hielt Timurs Stein in der Tasche umklammert, der die Macht dieses Siegels brechen würde. Er wusste es jetzt, spürte die Kraft der
bannenden Zeichen als warmes Kribbeln an der Hand.
„Wenn Yortam über die Brücke geht, ist die Trinität des Be’el wieder vereint auf dieser Erde, die heilige Dreiheit, die Hüter des dunklen Feuers. Sie
bereiten den Weg für die geheimen Nokam, die ihnen bald folgen werden, die höchsten, die mächtigsten, die seit den frühen Tagen von Atlan nicht mehr unter
den Menschen weilten, die hervortreten aus dem innersten Herzen der Finsternis. Norg selbst wird kommen, der Vater der dunklen Allmacht und fünf seiner
höchsten Fürsten. Sammle dich, Aron, für diesen großen Augenblick des Triumphs.“
Aron schloss die Augen. Die lichte, wesenlose Klarheit in ihm schien noch stärker geworden. Was sich vor ihm abspielte, was er emotionslos beobachtete, als
befinde er sich im Zuschauerraum eines Theaters, war nichts als ein flüchtiges Trugbild, ein Gaukelspiel
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