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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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von eurem Johannes, um uns Franziskaner zu ärgern! Euer Papst kann 219
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    gar keine Heiligen machen, weil er nämlich ein Ketzer ist und ein Ketzerfürst!«
    »Das kennen wir schon, diese schöne Behauptung steht in der Sachsenhausener Deklaration eures Hampelmannes von Bayern, die niemand anders als euer Ubertin verfaßt hat!«
    »Achte auf deine Worte, du Schwein, du Auswurf der Großen Hure von Babylon und anderen Dirnen mehr! Du weißt ganz genau, daß Ubertin damals in Avignon war zu Diensten des Kardinals Orsini, und anschließend hat ihn der Papst als seinen Botschafter nach Aragonien geschickt!«
    »Ich weiß, ich weiß, er übte das Leben in Armut am Tische des Kardinals, so wie er es jetzt in der reichsten Abtei Italiens tut! Sag mir, Ubertin: Wenn du es nicht warst, wer sonst hat den Kaiser darauf gebracht, deine Schriften für seine Zwecke zu nutzen?«
    »Was kann ich dafür, wenn Ludwig meine Schriften liest? Deine kann er schließlich nicht lesen, du bist ja schließlich ein Analphabet!«
    »Ich ein Analphabet? Und was war, bitte schön, euer Franziskus, der mit den Gänsen redete?«
    »Du redest lästerlich!«
    »Du bist es, der hier lästerlich redet, du alter Hurenbock von einem Fratizellen!«
    »Ich habe niemals gehurt, das weißt du ganz genau!!!«
    »Und wie du gehurt hast mit deinen Fratizellen, damals, als du dich suhltest im Bett deiner Clara von Montefalco!«
    »Daß Gott dich zermalme mit seinem Blitz! Ich war Inquisitor damals, und Clara war schon umweht vom Geruch der Heiligkeit!«
    »Clara mochte vielleicht nach Heiligkeit riechen, aber du hast was anderes gerochen, als du den Nonnen das Morgenlied sangest . . .«
    »Mach nur so weiter, mach nur so weiter, und Gottes Zorn wird dich treffen! Genauso wie er deinen Herrn treffen wird, jawohl, deinen Herrn, der zwei so üblen Ketzern Zuflucht gewährte wie jenem Ostrogoten Eckhart und jenem englischen Zauberer, den ihr Branucerton nennt . . .«
    »Ehrwürdige Brüder, ehrwürdige Brüder!« riefen beschwörend der Abt und der Kardinal.
    220
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    FÜNFTER TAG
    TERTIA
    Worin Severin zu William von einem seltsamen Buche spricht und William zu den Legaten von einer seltsamen Konzeption der weltlichen Herrschaft.
    Der Tumult wurde immer noch heftiger, doch in diesem Moment trat einer der diensttuenden Novizen in den Saal, bahnte sich einen Weg durch das wilde Getümmel wie jemand, der ein stürm- und hagelgepeitschtes Feld überquert, erreichte William und sagte leise, der Meister Botanikus wolle ihn dringend sprechen. Wir eilten hinaus. Im Narthex wimmelte es von Mönchen, die voller Neugier versuchten, aus dem allgemeinen Geschrei etwas herauszuhören über das Geschehen im Saal. Gleich hinter der Tür in der vordersten Reihe stießen wir auf Aymarus von Alessandria, der uns mit seinem üblichen amüsierten Grinsen über die Dummheit der Welt begrüßte: »Kein Zweifel, nicht wahr, seit dem Aufkommen der Bettelorden ist die Christenheit tugendhafter geworden.«
    William schob ihn unwirsch beiseite und drängte sich durch die Menge zu Severin, der wartend in einer Ecke stand. Er wirkte verängstigt und wollte allein mit uns sprechen, doch in diesem Gewimmel fanden wir keinen ruhigen Ort. Gerade wollten wir auf den Hof hinaustreten, da erschien in der Saaltür Michael von Cesena und rief meinen Meister zurück. Der Streit werde sich gleich wieder legen, meinte er, und dann müsse die Rednerliste fortgesetzt werden.
    William, erneut hin- und hergerissen zwischen zwei Hafersäcken, drängte Severin, er möge rasch sagen, was er zu sagen habe, und der Botanikus gab sich Mühe, von den Umstehenden nicht gehört zu werden.
    »Berengar war mit Sicherheit im Hospital gewesen, bevor er ins Badehaus ging«, flüsterte er.
    »Woher weißt du das?«
    Einige Mönche traten näher, angelockt durch unser Getuschel. Severin sah sich ängstlich um und sagte noch leiser: »Du hattest mir doch gesagt, daß der Tote . . . etwas bei sich gehabt haben mußte . . . Nun, und ich habe jetzt etwas gefunden, bei mir im Laboratorium . . . ein Buch, das ich nicht kenne, versteckt zwischen anderen Büchern . . . ein seltsames Buch . . .«
    »Das muß es sein!« sagte William triumphierend. »Bring es gleich her!«
    »Das geht nicht«, flüsterte Severin. »Ich erkläre dir später, warum nicht . . . Ich habe etwas entdeckt, ich glaube, es wird dich interessieren, aber du mußt selber kommen, ich muß es dir

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