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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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laut in die Runde, »und mich selbst, der ich es sagen werde, unterwerfe ich hiermit seiner prüfenden Korrektur, denn ich glaube wirklich, daß Johannes der Stellvertreter Christi ist, und für dieses Bekenntnis habe ich in den Kerkern der Sarazenen schmachten müssen! Also, ich werde damit anfangen, daß ich eine Sache zitiere, die von einem gelehrten Doktor berichtet wird, wie nämlich eines Tages ein Disput zwischen Mönchen aufkam über die Frage, wer der Vater von Melchisedek war, und als der Abt Copes danach gefragt wurde, schlug er sich an den Kopf und rief aus: Weh dir, Copes, immer suchst du nur herauszufinden, was Gott dir nicht herauszufinden gebietet, und vernachlässigst darüber, was Gott dir geboten hat! Also, wie man unschwer aus meinem Beispiel entnehmen kann: Es ist so sonnenklar, daß Christus und die Heilige Jungfrau und die Apostel nichts Eigenes besaßen, wie es weniger klar wäre anzuerkennen, daß Christus gleichzeitig Mensch und Gott war, und doch scheint mir klar, wer die erste Evidenz leugnet, müßte auch die zweite verleugnen!«
    Sprach's und blickte voller Triumph in die Runde, und ich sah, daß William die Augen zum Himmel verdrehte. Vermutlich fand er den Syllogismus seines wackeren Mitbruders reichlich defekt, und ich konnte ihm darin nicht unrecht geben, aber noch defekter erschien mir die wutschnaubende Entgegnung von Jean de Baune, der nämlich erklärte, wer eine Aussage über die Armut Christi mache, behaupte nur etwas, das man mit bloßem Auge sehen (oder nicht sehen) könne, während es zur Erkenntnis der Gottmenschlichkeit Christi des Glaubens bedürfe, weshalb man die beiden Aussagen nicht einfach gleichstellen könne. In der Replik war Hieronymus scharfsinniger als sein Gegner:
    »Oh nein, lieber Bruder, genau das Gegenteil scheint mir wahr zu sein, denn alle vier Evangelien erklären, daß Christus ein Mensch war und aß und trank, und zugleich war er Gott durch seine höchst augenfälligen Wunder, und dies alles springt einem doch geradezu in die Augen!«
    »Auch die Zauberer und Hellseher taten Wunder«, versetzte der Dominikaner süffisant.
    »Jawohl, aber eben durch Zauberkunst!« konterte Fra Hieronymus. »Und du willst doch wohl nicht die Wunder Christi mit Zauberkunst gleichsetzen?« Ein entrüstetes Murmeln ging durch die Runde: Nein, das habe Jean de Baune sicherlich nicht gewollt! »Und würde schließlich«, fuhr Hieronymus fort, der sich dem Sieg bereits nahe fühlte, »der Herr Kardinal del Poggetto den Glauben an Christi Armut auch dann als häretisch betrachten, wenn auf diesem Lehrsatz die Regel eines so frommen Ordens wie dem der Franziskaner beruht, deren Verdienste so groß sind, daß es kein Reich auf Erden gibt, von Marokko bis Indien, in welches sie nicht gegangen sind, um zu predigen und ihr Blut zu vergießen?«
    »Heiliger Petrus Hispanus«, murmelte William, »steh uns bei!«
    »Teuerster Bruder«, fauchte nun der Franzose und tat einen Schritt nach vorn, »sprich ruhig vom Blut deiner Mitbrüder, aber vergiß bitte nicht, daß auch die Geistlichen anderer Orden ihren Blutzoll entrichtet haben . . .«
    »Bei aller Ehrfurcht vor dem Herrn Kardinal«, schrie wütend der Bischof von Kaffa, »kein Dominikaner ist jemals in den Händen der Ungläubigen gestorben, während allein zu meiner Zeit neun Minoriten den Märtyrertod erlitten!«
    Rot im Gesicht sprang jetzt der Dominikaner und Bischof von Arborea auf: »Ich kann beweisen, daß lange bevor die Minoriten ins Land der Tataren kamen, Papst Innozenz drei Dominikaner dorthin geschickt hat.«
    »Ach ja?« höhnte Hieronymus. »Und ich weiß meinerseits, daß die Minoriten seit achtzig Jahren schon hinten in Tartarien sind, und sie haben vierzig Kirchen im ganzen Land, während die Dominikaner grad eben fünf mickrige Stützpunkte an der Küste haben, und alle zusammen sind sie nicht mehr als fünfzehn Brüder! Das dürfte die Frage wohl klären!«
    »Das klärt überhaupt keine Frage«, kreischte der Bischof von Arborea, »denn diese Minoriten, die Schwarmgeister und Fratizellen gebären wie Hündinnen junge Hunde, beanspruchen alles für sich allein und bauen sich schöne Kirchen mit prachtvollen Paramenten und treiben Handel und schachern wie alle anderen Mönche!«
    »Nein, nein, mein Herr«, widersprach der Bischof von Kaffa, »sie treiben nicht Handel auf eigene Rechnung, sondern nur für die Prokuratoren des Heiligen Stuhls, und die Prokuratoren bleiben die 217
    Der Name der Rose – Fünfter

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