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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zeigen . . . es ist gefährlich
    . . .« Er brach ab. Wir bemerkten, daß plötzlich Jorge an unsere Seite getreten war, unhörbar wie gewöhnlich.
    Er streckte die Hände vor sich aus, als wollte er an einem unbekannten Ort seinen Weg ertasten. Kein normaler Mensch hätte Severins Flüstern verstehen können, aber wir wußten längst, daß Jorge wie alle Blinden ein überaus scharfes Gehör besaß.
    Er schien allerdings nichts gehört zu haben, denn er entfernte sich wieder, berührte einen der Mönche und fragte ihn etwas. Der Angesprochene nahm ihn hilfreich beim Arm und führte ihn auf den Hof hinaus.
    Im selben Moment erschien Michael erneut in der Saaltür und winkte dringlich nach meinem Meister.
    William zögerte kurz und traf dann eine Entscheidung. »Severin«, sagte er, »geh bitte sofort zurück in dein Laboratorium, schließ dich ein und warte auf mich. Und du, Adson, geh hinter dem Blinden her. Vielleicht hat er etwas gehört. Ich glaube zwar nicht, daß er zum Laboratorium geht, aber ich möchte es wissen.«
    Als William bereits auf der Schwelle zum Saal war, sah er (und ich mit ihm), wie Aymarus sich durch die Menge hinausdrängte, um Jorge zu folgen. In diesem Moment beging mein Meister eine Unvorsichtigkeit.
    Mit lauter Stimme rief er quer durch den Narthex über die Köpfe der Mönche hinweg zu Severin: »Ich verlasse mich darauf: Gestatte niemandem, dieses . . . diese Schriften zurückzubringen!« Ich wollte gerade ins Freie treten, um Jorge zu folgen, da sah ich draußen den Cellerar stehen. Er hatte Williams Worte gehört und blickte zutiefst erschrocken abwechselnd auf meinen Meister und auf den Botanikus. Dann heftete er sich an Severins Fersen. Unschlüssig auf der Schwelle verharrend sah ich ihm nach, während Jorge bereits im Nebel zu verschwinden begann. Rasch überlegte ich, was ich tun sollte. Zwar hatte mir William aufgetragen, dem Blinden zu folgen, aber gewiß in der Annahme, daß er zum Hospital gehen werde.
    Indessen sah ich Jorge mit seinem Begleiter in eine andere Richtung entschwinden, nämlich zum Kreuzgang, 221
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    um vielleicht in die Kirche oder ins Aedificium zu gehen. Der Cellerar hingegen verfolgte mit Sicherheit den Botanikus, und William war in erster Linie am Geschehen im Hospital interessiert. So beschloß ich kurzerhand, dem Botanikus und dem Cellerar zu folgen, nicht ohne mich zu fragen, wohin Aymarus gegangen sein mochte, auch wenn er vielleicht aus ganz anderen Gründen als wir den Saal verlassen hatte.
    Ich folgte dem Cellerar in gebührendem Abstand, gerade nahe genug, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er verlangsamte seinen Schritt, als er mich bemerkte. Zwar konnte er nicht erkennen, ob ich der Schemen war, der sich da an seine Fersen geheftet hatte, so wie ich meinerseits nicht erkennen konnte, ob er der Schemen war, an dessen Fersen ich mich geheftet, aber wie ich an seiner Person nicht zweifelte, so zweifelte sicher auch er nicht an der meinen.
    Indem ich ihn allerdings zwang, sich immer wieder meiner Person zu vergewissern, hinderte ich ihn daran, dem Botanikus allzu dicht auf den Fersen zu bleiben. So kam es, als schließlich das Hospital vor uns aus dem Nebel auftauchte, daß die Tür bereits wieder geschlossen war. Gott sei Dank, dachte ich, Severin war also schon in Sicherheit. Remigius blieb unschlüssig stehen, sah sich erneut nach mir um, der ich jetzt reglos zwischen den Bäumen des Gartens verharrte, und ging dann nach kurzem Zögern eilends in Richtung der Küche davon. Ich glaubte, meine Mission erfüllt zu haben, schließlich war Severin ein vernünftiger Mann, der selbst auf sich aufpassen konnte und gewiß niemandem öffnen würde, und da ich nichts weiter zu tun hatte (und natürlich darauf brannte, den Fortgang der Ereignisse im Kapitelsaal mitzuerleben), beschloß ich zurückzugehen und William Bericht zu erstatten. Vielleicht war das falsch gewesen, ich hätte noch länger auf Wachtposten bleiben sollen, und manches weitere Unglück wäre uns möglicherweise erspart geblieben . . .
    Auf meinem Rückweg durch den Nebel stieß ich beinahe mit Benno zusammen, der mich komplizenhaft angrinste: »Nicht wahr, Severin hat was gefunden, das von Berengar stammt . . .«
    »Was weißt du denn davon?« sagte ich grob und sprach ihn unwillkürlich wie einen Gleichaltrigen an, teils aus Ärger, teils wegen seines jugendlichen Gesichtes, das jetzt noch verjüngt wurde durch einen Ausdruck fast kindlicher

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