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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Arglist.
    »Ich bin ja schließlich nicht blöd«, erwiderte er. »Severin rennt zu William, um ihm etwas Wichtiges mitzuteilen, und du paßt auf, daß ihm keiner folgt . . .«
    »Und du beobachtest uns zuviel, uns und den Meister Botanikus«, fauchte ich ärgerlich.
    »Ich? Natürlich beobachte ich euch! Seit vorgestern habe ich weder das Badehaus noch das Hospital aus den Augen gelassen. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich reingegangen. Ich würde ein Auge hergeben aus meinem Kopf, um zu erfahren, was Berengar in der Bibliothek gefunden hat!«
    »Du willst zuviel wissen, was dich nichts angeht. Du hast kein Recht . . .«
    »So, meinst du? Ich bin ein Studiosus, ich habe ein Recht, diese Dinge zu wissen. Ich bin von weither gekommen, von den Rändern der Welt, um diese Bibliothek hier kennenzulernen, und diese Bibliothek hier bleibt mir verschlossen, als enthielte sie üble Dinge, und ich . . .«
    »Ach laß mich gehen!« fuhr ich ihn an.
    »Schon gut, ich laß dich ja gehen, du hast mir genug gesagt.«
    »Ich?«
    »Klar, man redet auch, wenn man schweigt.«
    »Ich rate dir, geh nicht ins Hospital!« warnte ich ihn.
    »Beruhige dich, ich gehe nicht rein. Aber niemand kann mir verwehren, hier draußen zu wachen.«
    Ärgerlich ließ ich ihn stehen und ging davon. Dieser Neugierige schien mir keine große Gefahr zu sein.
    Kurz darauf erreichte ich William und setzte ihn mit knappen Worten ins Bild. Er nickte zustimmend und bedeutete mir zu schweigen. Der Tumult hatte sich inzwischen wieder gelegt, die Legaten der beiden Seiten waren gerade dabei, einander den Friedenskuß zu geben. Der Bischof von Arborea lobte den Glauben der Minoriten, der Bischof von Kaffa pries die Barmherzigkeit der dominikanischen Prediger, alle gaben der Hoffnung auf eine brüderliche, nicht länger von inneren Fehden zerrissene Kirche Ausdruck. Die einen rühmten die Standhaftigkeit, die anderen den Edelmut ihrer Diskussionspartner, alle beschworen gemeinsam den Geist der Gerechtigkeit und riefen sich selbst zur Besonnenheit auf. Nie sah ich so viele edle Männer so innig dem Sieg der Theologal- und Kardinaltugenden zugetan.
    222
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    Doch schon forderte Kardinal Bertrand meinen Meister auf, die Thesen der kaiserlichen Theologen darzulegen. William erhob sich ohne große Begeisterung: Einerseits war ihm inzwischen klar, wie unnütz das ganze Treffen war, andererseits drängte es ihn zu Severin, denn das geheimnisvolle Buch interessierte ihn längst viel mehr als der Ausgang des Treffens. Doch selbstverständlich konnte er sich seinen Pflichten nicht einfach entziehen.
    So begann er mit vielerlei »Äh« und »Öh« und noch mehr Gehüstel als üblich und wohl auch als nötig, wie um damit anzudeuten, daß er sich der Dinge, die er gleich vortragen werde, absolut ungewiß sei, und schickte zunächst voraus, er könne die Standpunkte seiner Vorredner bestens verstehen, und was von manchen die »Lehre« der kaiserlichen Theologen genannt werde, sei in Wirklichkeit nur eine lose Sammlung verstreuter Gedanken, die sich beileibe nicht als eine Glaubenswahrheit aufzwingen wolle.
    Nach erneutem Räuspern meinte er, angesichts der immensen Güte, die Gott der Herr bezeugt habe bei der Erschaffung des Volkes Seiner Kinder, die er alle gleichermaßen und ohne Unterschied liebe, und wie man bereits aus jenen ersten Seiten der Genesis ersehen könne, in denen noch keine Rede von Priestern und Königen sei, und nicht zuletzt in Anbetracht auch der Tatsache, daß Gott der Herr dem Adam und seinen Nachkommen die Verfügungsgewalt über die irdischen Dinge gegeben, solange sie nur die himmlischen Gebote befolgten, sei zu vermuten, daß dem Herrn und Schöpfer selbst der Gedanke nicht völlig fremd war, es solle über die irdischen Dinge das Volk bestimmen und die prima causa efficiens der Gesetze sein. Wobei unter Volk wohlgemerkt die Gesamtheit der Erdenbürger zu verstehen sei. Doch da man unter den Erdenbürgern auch die Kinder, die Toren, die Missetäter und die Frauen bedenken müsse, könne man sich vielleicht vernünftigerweise auf eine Definition des Volkes als dem besten Teil der Erdenbürger einigen –
    ohne daß es hier angebracht sei, sich darüber auszulassen, wer nun effektiv zu diesem Teil gehöre.
    Hüstelnd und sich bei den Anwesenden entschuldigend, die Luft sei heute wirklich sehr feucht, gab William sodann der Vermutung Ausdruck, daß der Modus, in welchem das Volk seinen Willen am besten äußert,

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