Der Name der Rose
Teil des Himmelsgewölbes, dabei hatte Malachias die Armillarsphäre nur genommen, weil sie gerade zur Hand war; und schließlich für Malachias die Skorpione
. . . Warum hattest du ihm gesagt, das Buch habe die Kraft von tausend Skorpionen?«
»Deinetwegen. Alinardus hatte mir seine Idee eingegeben, und später hörte ich, daß auch du sie einleuchtend fandest. Da sagte ich mir, daß offenkundig ein göttlicher Plan diese Todesfälle lenkte, für die ich mithin nicht verantwortlich war, und so warnte ich Malachias, er werde, falls er sich von der Neugier packen ließe, gemäß eben diesem göttlichen Plan zugrunde gehen. Wie es dann ja auch geschah.«
»So war das also . . . Dann habe ich mir ein falsches Muster zurechtgelegt, um mir die Schritte des Schuldigen zu erklären, und der Schuldige hat sich diesem falschen Muster angepaßt. Und genau dieses falsche Muster hat mich schließlich auf deine Spur gebracht . . . Heutzutage sind alle vom Buch des Johannes besessen, aber du schienst mir derjenige zu sein, der sich am meisten damit beschäftigte, nicht so sehr wegen deiner Spekulationen über den Antichrist als vielmehr, weil du aus dem Lande stammst, das die schönsten Apokalypsen-Codizes hervorgebracht hat. Eines Tages sagte mir jemand, die prächtigsten Handschriften 292
Der Name der Rose – Siebenter Tag
jenes Buches seien von dir in die Bibliothek gebracht worden. Dann faselte Alinardus etwas von einem mysteriösen einstigen Konkurrenten, der sich nach Silos habe schicken lassen, um schöne Bücher zu sammeln (und dabei sagte er, dieser Jemand sei vorzeitig ins Reich der Finsternis eingegangen; das hatte mich aufhorchen lassen: Es klang zunächst so, als wollte er sagen, der Jemand sei früh gestorben, dabei war es eine Anspielung auf deine Blindheit . . .). Silos liegt in der Nähe von Burgos, und heute morgen fand ich im Katalog eine Reihe von Neuerwerbungen, die allesamt hispanische Apokalypsen betrafen und genau aus der Zeit stammten, als du dich anschicktest, den Paulus von Rimini als Bibliothekar abzulösen. Auch dieses Buch fand sich unter jenen Neuerwerbungen. Dennoch konnte ich meiner Rekonstruktion noch nicht sicher sein – bis ich schließlich erfuhr, daß dieses Buch aus Papier besteht. Da fiel mir Silos ein, und ich war mir sicher. Natürlich verflüchtigte sich die Idee des apokalyptischen Musters immer mehr in meinem Kopf, je klarer sich die des Buches und seiner giftigen Kraft darin abzeichnete. Dennoch begriff ich nicht ganz, wieso mich beide Spuren, die der sieben Posaunen und die des tödlichen Buches, zu dir hinführten und wieso ich die Geschichte des Buches im gleichen Maße besser verstand, wie ich, gelenkt durch das apokalyptische Muster, an dich und deine Thesen über das Lachen denken mußte. Bis ich dann heute abend, als ich schon kaum noch an das apokalyptische Muster glaubte, beharrlich auf der Kontrolle des Pferdestalles bestand, wo ich das Erklingen der sechsten Posaune erwartete, und genau beim Pferdestall hat mir dann Adson durch puren Zufall den Schlüssel zum Finis Africae geliefert . . .«
»Ich kann dir nicht folgen«, unterbrach Jorge die Darlegungen meines Meisters. »Du willst mir voller Stolz erklären, wie du auf mich gekommen bist, indem du dich an deine Ratio gehalten hast, und dabei sagst du mir, daß du ans Ziel gelangt bist, indem du eine falsche Fährte verfolgt hast. Was willst du mir damit klarmachen?«
»Nichts. Jedenfalls dir nichts. Ich bin nur ein bißchen verwirrt, das ist alles. Aber das spielt keine Rolle, denn eins steht fest: Ich bin hier.«
»Der Herr hat die sieben Posaunen erklingen lassen, und du hast, wenn auch im Irrtum, ein fernes Echo ihres Klanges vernommen.«
»Das hast du schon gestern in deiner Predigt gesagt. Du willst mir einreden, daß diese ganze Geschichte sich nach einem göttlichen Plan ereignet habe, um dir die Tatsache zu verheimlichen, daß du ein Mörder bist.«
»Ich habe niemanden ermordet. Alle sind gemäß ihrem Schicksal aufgrund ihrer Sünden gestorben. Ich bin nur ein Werkzeug gewesen.«
»Gestern hast du gesagt, auch Judas sei nur ein Werkzeug gewesen, und doch entging er nicht der Verdammnis.«
»Die Gefahr der Verdammnis nehme ich auf mich. Der Herr wird mir Absolution erteilen, denn er weiß, daß ich nur zu seinem Ruhme gehandelt habe. Es war meine Pflicht, die Bibliothek zu beschützen.«
»Eben warst du noch bereit, auch mich zu töten, auch diesen Jungen . . .«
»Du bist nur klüger, nicht besser
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