Der Name der Rose
seiner Spießgesellen wird niemals die Ordnung Gottes ins Wanken bringen. Das predigt Gewalt und stirbt durch Gewalt, das hinterläßt keine Spuren, das vergeht wie der Karneval, und es schadet nicht viel, wenn sich kurzzeitig während des Festes auf Erden die Epiphanie der verkehrten Welt ereignet. Es genügt, daß die Pose sich nicht zum Projekt verdichtet, daß diese Volkssprache kein Latein findet, das ihr verständigen Ausdruck verleiht.
Das Lachen befreit den Bauern von seiner Angst vor dem Teufel, denn auf dem Fest der Narren erscheint auch der Teufel als närrisch und dumm, mithin kontrollierbar. Doch dieses Buch könnte lehren, daß die Befreiung von der Angst vor dem Teufel eine Wissenschaft ist! Der lachende Bauer, dem der Wein durch die Gurgel fließt, fühlt sich als Herr, denn er hat die Herrschaftsverhältnisse umgestürzt. Doch dieses Buch könnte die Wissenden lehren, mit welchen Kunstgriffen, mit welchen schlagfertigen und von diesem Moment an auch geistreichen Argumenten sich der Umsturz rechtfertigen ließe! Und dann würde sich in ein Werk des Verstandes verwandeln, was in der unüberlegten Pose des Bauern einstweilen noch und zum Glück nur ein Werk des Bauches ist. Gewiß ist das Lachen dem Menschen eigentümlich, es ist das Zeichen unserer Beschränktheit als Sünder. Aus diesem Buch aber könnten verderbte Köpfe wie deiner den äußersten Schluß ziehen, daß im Lachen die höchste Vollendung des Menschen liege! Das Lachen vertreibt dem Bauern für ein paar Momente die Angst. Doch das Gesetz verschafft sich Geltung mit Hilfe der Angst, deren wahrer Name Gottesfurcht ist. Und aus diesem Buch könnte leicht der luziferische Funke aufspringen, der die ganze Welt in einen neuen Brand stecken würde, und dann würde das Lachen zu einer neuen Kunst, die selbst dem Prometheus noch unbekannt war: zur Kunst der Vernichtung von Angst! Der lachende Bauer fürchtet sich nicht vor dem Tod, solange er lacht, doch sobald die Ausschweifung vorüber ist, auferlegt ihm die Liturgie wieder nach dem göttlichen Plan die Angst vor dem Tod. Aus diesem Buch aber könnte das neue und destruktive Trachten nach Überwindung des Todes durch Befreiung von Angst entstehen. Und was wären wir sündigen Kreaturen dann ohne die Angst, diese vielleicht wohltätigste und gnädigste aller Gaben Gottes? Jahrhundertelang haben die Patres und Doctores duftende Essenzen heiligen Wissens abgesondert, um durch Meditation über das Hohe die Menschen aus der Not und Versuchung des Niederen zu erlösen.
Dieses Buch aber, das die Komödien und Satyrspiele und Mimen rechtfertigt als wundertätige Heilmittel, die angeblich eine Reinigung von den Leidenschaften bewirken durch Darstellung eben der Mängel und Laster und Schwächen, dieses Buch würde die falschen Gelehrten dazu verführen, in teuflischer Umkehrung des Verfahrens eine Erlösung des Hohen durch Akzeptierung des Niederen zu versuchen. Aus diesem Buch ließe sich der Gedanke ableiten, daß der Mensch auf Erden (wie es dein Bacon von der magia naturalis erhoffte) den Überfluß des Schlaraffenlandes genießen könnte. Genau das aber ist es, was wir nicht anstreben dürfen und niemals bekommen werden! Sieh, wie die jungen Mönche sich schamlos ergötzen an der albernen Farce der Coena Cypriani . Welch eine teuflische Parodie auf die Heilige Schrift! Aber sie wissen immerhin noch, daß ihr Tun schlecht ist. Am selben Tage jedoch, da die Worte des PHILOSOPHEN derlei marginale Spielchen der ausschweifenden Phantasie rechtfertigen würden, wahrlich, ich sage dir, am selben Tage würde das Marginale ins Zentrum springen, und die Mitte wäre verloren! Das Volk Gottes würde zu einer Versammlung von Monstern, ausgespien aus den Schlünden der Terra incognita, und die Ränder des Erdkreises würden zur Mitte des christlichen Reiches – die Arimaspen auf dem Stuhl Petri, die Blemmyen in den Klöstern und die trommelbäuchigen Zwerge mit Wasserköpfen als Hüter der Bibliotheken! Die Knechte würden das Gesetz diktieren, und wir (jawohl, auch du!) müßten blind gehorchen in totaler Gesetzlosigkeit!
Einst sagte ein griechischer Philosoph (den dein Aristoteles hier zitiert als Komplizen und lügnerische 295
Der Name der Rose – Siebenter Tag
Auctoritas), man müsse die Ernsthaftigkeit der Gegner durch Lachen zersetzen und dem Lachen mit Ernst begegnen. Wohlan, die Weisheit unserer Väter hat ihre Wahl getroffen: Wenn das Lachen die Kurzweil des niederen Volkes ist, so muß die
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