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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ertrug er ganz einfach nicht mehr die Spannungen eines Krieges, der nun schon allzulange zwischen der Kurie und dem Kaiser sowie den anderen weltlichen Herrschern Europas geführt wurde – Tatsache ist jedenfalls, daß Coelestin auf sein hohes Amt bald wieder verzichtete, um sich in die Einsamkeit der Abruzzen zurückzuziehen. Doch in seiner kurzen Regierungszeit, die weniger als ein Jahr gedauert hatte, waren die kühnsten Hoffnungen der Spiritualen erfüllt worden.
    Einerseits hatte Coelestin mit ihnen die Gemeinschaft der fratres et pauperes heremitae domini Coelestini, den sogenannten Coelestinerorden gegründet. Andererseits gab es, während der Papst immerfort zwischen den mächtigen römischen Kardinälen vermitteln mußte, unter diesen einige, zum Beispiel einen Colonna und einen Orsini, die insgeheim das neue Verlangen nach Armut unterstützten. Wahrlich eine seltsame Haltung für so mächtige Potentaten, die selber in Wohlstand und maßlosem Reichtum lebten, und ich habe nie recht verstanden, ob sie die Spiritualen einfach für ihre eigenen Machtinteressen benutzten, oder ob sie meinten, sie könnten durch ihre Unterstützung der Spiritualen ihr eigenes Leben in Pracht und Luxus irgendwie rechtfertigen; mag sein, daß beides zugleich der Fall war, ich verstehe wenig von diesen italienischen Dingen. Doch um ein konkretes Beispiel zu geben: Ubertin fand Unterschlupf als Kaplan bei Kardinal Orsini, als ihm, nachdem er zum geistigen Führer der Spiritualen geworden war, eine Anklage wegen Ketzerei drohte, und derselbe Kardinal hielt auch später in Avignon seine schützende Hand über ihn.
    Indessen kam es, wie es in solchen Fällen kommt: Einerseits predigten hochgebildete Franziskaner wie Angelo und Ubertin gemäß der Heiligen Schrift, andererseits griffen zahlreiche Laien ihre Predigt auf und verbreiteten sie ohne jede Kontrolle im Lande. So wurde Italien regelrecht überschwemmt von jenen Fraticelli oder kleinen Brüdern des armen Lebens, die vielen gefährlich erschienen. Längst war es schwierig geworden, klar zu trennen und zu unterscheiden zwischen den Lehrmeistern der Spiritualen, die mit den Kirchenbehörden Kontakt hielten, und ihren einfachen Anhängern, schlichten Laienbrüdern, die außerhalb des Ordens lebten, von erbettelten Almosen und von der täglichen Arbeit ihrer Hände, ohne das geringste Eigentum zu besitzen. Letztere waren es, die man im Volksmund Fratizellen nannte, nicht unähnlich jenen französischen Beginen, die sich an der Lehre des schon genannten Petrus Johannis Olivi orientierten.
    Nach Coelestin V. kam Bonifaz VIII. auf den Heiligen Stuhl, und dieser Papst beeilte sich nun, so unnachsichtig wie möglich gegen die Spiritualen und die Fratizellen vorzugehen. Noch in den letzten Jahren des Jahrhunderts erließ er eine Bannbulle, Firma cautela , mit welcher er in einem einzigen Aufwasch Terziare, umherschweifende Bettelmönche an den äußeren Rändern des Franziskanerordens und die eigentlichen Spiritualen verdammte, das heißt jene Brüder, die sich dem Leben des Ordens entzogen, um ein Dasein als Eremiten zu fuhren.
    Später bemühten sich die Spiritualen, das Einverständnis anderer Päpste zu gewinnen, etwa Clemens' V., um sich gewaltlos und friedlich vom Orden absetzen zu können, und ich glaube, sie hatten auch zuweilen Erfolg. Doch als dann schließlich Johannes XXII. sein Pontifikat antrat, verloren sie alle Hoffnung. Gleich nach seiner Wahl im Jahre 1316 schrieb der neue Papst einen Brief an den König von Sizilien, wohin sich viele italienische Spiritualen geflüchtet hatten, und forderte ihn auf, diese Brüder von seinem Land zu vertreiben. Zugleich ließ er Angelo Clareno und die provencalischen Spiritualen in Ketten legen.
    Das kann jedoch kein leichtes Unternehmen gewesen sein, und auch in der Kurie waren viele dagegen.
    Tatsache ist jedenfalls, daß es Ubertin und Clareno schließlich freigestellt wurde, den Orden der Franziskaner zu verlassen, was sie dann auch taten; der eine fand Unterschlupf bei den Benediktinern, der andere bei den Coelestinern. Doch gnadenlos ging Johannes gegen diejenigen vor, die ihr freies Leben fortsetzen wollten: Er ließ sie von der Inquisition verfolgen, und viele von ihnen wurden als Ketzer verbrannt.
    Indessen hatte er sehr wohl begriffen, daß er, um das Unkraut der Fratizellen auszurotten, das die Autorität der Kirche zu untergraben drohte, auch die Lehren verurteilen mußte, auf denen sie ihren Glauben begründeten. Sie

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