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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nicht viel davon, stimmt's?«
    »Erzähl mir noch mehr von dir«, lenkte William ab. »Erzähl mir, wie es dir gelungen ist, dich vor diesen Hunden zu retten.«
    »Ja, Hunde sind sie, wütende Hunde! Stell dir vor, William, ich mußte sogar mit Bonagratia streiten!«
    »Aber Bonagratia von Bergamo steht doch auf unserer Seite!«
    »Ja, jetzt, nachdem ich lange mit ihm geredet habe. Erst danach war er überzeugt und protestierte gegen die Ad conditorum canonum – und dafür hat der Papst ihn dann ein Jahr lang einkerkern lassen.«
    »Ich habe gehört, daß er jetzt einem meiner Freunde in der Kurie nahesteht, William von Ockham.«
    »Den hab' ich nicht gut gekannt. Er gefiel mir nicht. Ein Mann ohne Wärme, nur Kopf, kein Herz.«
    39
    Der Name der Rose – Erster Tag
    »Aber ein guter Kopf.«
    »Mag sein, und doch wird er ihn zur Hölle tragen.«
    »Gut, dann werde ich ihm dort begegnen, und wir werden über Logik disputieren.«
    »Sag so was nicht, William!« erwiderte Ubertin lächelnd und liebevoll. »Du bist besser als deine Philosophen. Ach, hättest du damals nur gewollt . . .«
    »Was?«
    »Weißt du noch, wann wir uns das letzte Mal sahen, damals in Umbrien? Erinnerst du dich? Ich war gerade erst von meinen Übeln genesen dank der Fürbitte jener wunderbaren Frau . . . Clara von Montefalco«, murmelte er mit leuchtenden Augen. »Clara . . . Wenn die weibliche Natur, die von Natur so pervers ist, sich in der Heiligkeit sublimiert, kann sie zum höchsten Gefäß der Anmut werden. Du weißt, daß mein Leben vom Streben nach höchster Keuschheit erfüllt ist, William«, er faßte ihn sichtlich erregt am Arm.
    »Du weißt, mit welch wildem – ja, wild ist das richtige Wort – mit welch wildem Verlangen nach Buße ich versucht habe, die Triebe des Fleisches in mir abzutöten, um mich ganz und gar transparent zu machen für die Liebe Jesu, des Gekreuzigten . . . Und doch waren drei Frauen in meinem Leben für mich drei himmlische Botschafterinnen: Angela von Foligno, Margherita von Città di Castello (die mir das Ende meines Buches eingab, als ich erst ein Drittel davon geschrieben) und schließlich Clara von Montefalco. Es war ein Geschenk des Himmels, daß mir, ausgerechnet mir die Aufgabe zufiel, ihre Wundertaten zu untersuchen und dem Volk ihre Heiligkeit zu verkünden, bevor noch unsere heilige Mutter Kirche sich rührte. Und du warst damals dabei, lieber William, und du hättest mir helfen können bei diesem heiligen Unternehmen, aber du wolltest nicht . . .«
    »Das heilige Unternehmen, zu dem du mich einludst, lieber Ubertin, bestand darin, die Brüder Bentivenga, Jacomo und Giovannuccio auf den Scheiterhaufen zu befördern«, entgegnete William sanft.
    »Sie waren im Begriff, mit ihren Perversionen das Andenken der Heiligen zu verdunkeln. Und du warst damals Inquisitor!«
    »Und genau damals bat ich um Entlassung aus diesem Amt. Die Geschichte gefiel mir nicht. Mir gefiel auch nicht, um es offen zu sagen, wie du Bentivenga dazu gebracht hattest, seine Verfehlungen zu gestehen.
    Du hast so getan, als wolltest du in seine Sekte eintreten, wenn es denn eine Sekte war, hast ihm seine Geheimnisse entlockt und ihn dann verhaften lassen.«
    »Nun ja, das ist eben die Art, wie man gegen die Feinde Christi vorgeht. Sie waren Häretiker, sie waren falsche Apostel, sie strömten den Schwefelgeruch Fra Dolcinos aus.«
    »Sie waren die Freunde Claras.«
    »Nein, William, nie darfst du das Andenken Claras verdunkeln, nicht einmal mit einem Schatten!«
    »Aber sie verkehrten in Claras Gruppe . . .«
    »Sie waren Minoriten, sie nannten sich Spiritualen, aber sie waren Brüder der Gemeinde! Und du weißt, für die Untersuchung war es klar, daß Bentivenga von Gubbio sich Apostel nannte und daß er zusammen mit Giovannuccio von Bevagna Nonnen verführte, indem er ihnen einflüsterte, es gebe gar keine Hölle und man könne die fleischlichen Gelüste befriedigen, ohne Gott zu beleidigen, man dürfe den Corpus Christi empfangen, nachdem man (der Herr vergebe mir!) bei einer Nonne gelegen, und dem Herrn sei die Sünderin Magdalena lieber gewesen als die hehre Jungfrau, und den das Volk Dämon nenne, der sei in Wahrheit Gott selber, denn der Dämon sei Weisheit und Gott sei Weisheit! Und es war die selige Clara, die, nachdem sie solche Reden gehört, ihre große Vision hatte, in welcher ihr Gott höchstpersönlich sagte, daß jene Verführer üble Jünger des Spiritus Libertatis waren!«
    »Sie waren Minoriten, deren Geist von

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