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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fliehen!«
    »Wer wollte deinen Tod? Johannes?«
    »Nein. Johannes hat mich zwar nie gemocht, aber stets respektiert. Er war es im Grunde auch, der damals vor zehn Jahren verhindert hatte, daß es zum Prozeß gegen mich kam, indem er mir auferlegte, zu den Benediktinern zu gehen. Dagegen konnten meine Feinde nichts sagen. Sie haben lange gemurrt und gestichelt, sie machten sich lustig über die Tatsache, daß ein so strenger Verfechter der Armut in einen so reichen Orden eintrat und dazu noch am Hofe des Kardinals Orsini lebte . . . William, du weißt, wie wenig mir an den Dingen dieser Welt liegt! Aber, verstehst du, das war die einzige Möglichkeit, in Avignon zu bleiben und meine Mitbrüder zu verteidigen. Der Papst hat Angst vor Orsini, er hätte mir niemals ein Haar gekrümmt. Noch vor drei Jahren schickte er mich als Botschafter zum König von Aragonien.«
    »Wer war es dann, der dir übel wollte?«
    38
    Der Name der Rose – Erster Tag
    »Alle. Die Kurie. Zweimal haben sie versucht, mich zu ermorden. Sie wollten mich unbedingt zum Schweigen bringen. Du weißt, was vor fünf Jahren geschehen ist. Die Beginen von Narbonne waren schon zwei Jahre lang verurteilt, und Berengar Talloni, der immerhin selber einer der Richter gewesen war, hatte den Papst um eine Revision des Urteils ersucht. Es waren schwierige Zeiten für uns, Johannes hatte bereits zwei Bullen gegen die Spiritualen erlassen, und sogar Michael von Cesena hatte nachgegeben . . . Übrigens, wann kommt er?«
    »Er wird in zwei Tagen hier sein.«
    »Michael . . . Wie lange habe ich ihn nicht gesehen! Inzwischen hat er sich wieder besonnen, er hat jetzt begriffen, was wir wollen, das Kapitel von Perugia hat uns recht gegeben. Aber damals, und noch 1318, ist er vor dem Papst zurückgewichen und hat ihm fünf provencalische Mitbrüder ausgeliefert, die sich nicht unterwerfen wollten. Sie sind verbrannt worden, William . . . Oh, es war schrecklich!« Ubertin schlug sich die Hände vors Gesicht.
    »Aber sag mir«, fragte William, »was genau geschah nach dem Revisionsgesuch von Talloni?«
    »Johannes mußte die ganze Debatte neu eröffnen, verstehst du? Er mußte , denn auch in der Kurie gab es Männer, die vom Zweifel erfaßt worden waren, auch die Franziskaner bei Hofe – Pharisäer, scheinheilige Leisetreter, die immer bereit sind, sich zu verkaufen für eine Pfründe –, auch sie waren vom Zweifel erfaßt.
    Angesichts dieser Lage bat mich Johannes, eine Denkschrift zu verfassen. Sie ist gut geworden, William, Gott vergebe mir meinen Hochmut . . .«
    »Ich habe sie gelesen, Michael hat sie mir gezeigt.«
    »Es gab Schwankende, auch unter uns, zum Beispiel der Provinzial von Aquitanien, der Kardinal von San Vitale, der Bischof von Kaffa . . .«
    »Der ist ein Idiot«, warf William ein.
    »Requiescat in pace, Gott hat ihn vor zwei Jahren zu sich genommen.«
    »So barmherzig ist Gott leider nicht gewesen. Es war eine Falschmeldung aus Konstantinopel. Er weilt immer noch unter uns, es heißt sogar, er gehöre zur päpstlichen Legation. Gott schütze uns vor ihm!«
    »Aber er befürwortet doch die Resolution von Perugia«, sagte Ubertin.
    »Eben. Er gehört zu jener Sorte von Menschen, die immer die besten Pferde im Stall ihrer Gegner sind.«
    »Um die Wahrheit zu sagen«, räumte Ubertin ein, »er war unserer Sache auch damals nicht gerade dienlich. Die ganze Angelegenheit ist dann praktisch im Sande verlaufen, aber wenigstens war nicht offiziell erklärt worden, daß die Idee als solche häretisch sei, und das war wichtig. Darum haben die anderen mir dann auch nie verziehen. Sie haben versucht, mir auf jede Weise zu schaden, sie haben zum Beispiel behauptet, ich sei damals vor drei Jahren in Sachsenhausen gewesen, als Kaiser Ludwig den Papst zum Ketzer erklärte – dabei wußten sie alle genau, daß ich den ganzen Juli über in Avignon bei Orsini gewesen war . . . Sie meinten tatsächlich, in Teilen der kaiserlichen Erklärung einen Widerhall meiner Ideen zu finden
    . . . Was für ein Unsinn!«
    »So unsinnig war das gar nicht«, sagte William. »Die Ideen hatte ich dem Kaiser geliefert, und ich hatte sie deiner Denkschrift von Avignon entnommen und einigen Abschnitten von Olivi.«
    »Du?« rief Ubertin halb verblüfft und halb freudig. »Dann gibst du mir also recht!?«
    William schien ein wenig verlegen. »Es waren gute Ideen für den Kaiser, damals . . .«, sagte er ausweichend.
    Ubertin sah ihn mißtrauisch an. »Aha. Aber in Wirklichkeit hältst du

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