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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mich identifiziere. Mein Gott, womit identifiziert sich ein Autor? Mit den Adverbien, das ist doch klar.
    Die sinnloseste aller sinnlosen Fragen war die jener Leute, die meinen, wenn einer aus alten Zeiten erzählt, wolle er aus seiner Gegenwart fliehen. Ob das richtig sei, fragen sie mich. Aber ja, gewiß doch, antworte ich. Manzoni erzählt vom 17. Jahrhundert, weil ihn sein eigenes nicht interessiert. Karl May berichtet von den Indianern seiner ureigensten Zeit, während Hebbel sich zu den Nibelungen davonmacht.
    Erich Segal engagiert sich in Love Story voll für die amerikanische Gegenwartsrealität, während Stendhal in seiner Kartause bloß alten Kram von vor zwanzig Jahren aufwärmt . . .
    Müßig zu sagen, daß alle Probleme des modernen Europa, wie wir sie heute kennen, im Mittelalter entstanden sind, von der kommunalen Demokratie bis zum Bankwesen, von den Städten bis zu den Nationalstaaten, von den neuen Technologien bis zu den Revolten der Armen: Das Mittelalter ist unsere Kindheit, zu der wir immer wieder zurückkehren müssen, um unsere Anamnese zu machen. Aber man kann vom Mittelalter auch im Stil von Excalibur sprechen. Also ist das Problem ein anderes und bedarf der Klärung: Was kennzeichnet einen historischen Roman?
    Ich glaube, man kann aus alten Zeiten auf dreierlei Weise erzählen. Eine ist die Romanze, im Sinne von englisch romance . Sie reicht von den keltischen Artusromanen bis zu den Geschichten von Tolkien und umfaßt auch die Gothic Novel, die gerade nicht novel ist, sondern eben romance . Geschichte als Bühnenbild, als Vorwand und phantastische Konstruktion, um der Einbildung freien Lauf zu lassen. Darum braucht die Romanze auch gar nicht in der Vergangenheit zu spielen, es genügt, daß sie nicht im Hier und Jetzt spielt, daß sie nicht vom Hier und Jetzt redet, nicht einmal allegorisch. Viele Science-Fiction-Romane sind reine Romanzen. Die Romanze ist die Geschichte eines Woanders .
    Dann gibt es den Mantel-und-Degen-Roman, Beispiel Dumas. Der Mantel-und-Degen-Roman nimmt einen »realen« und erkennbaren Abschnitt aus der Geschichte, bevölkert ihn, um ihn erkennbar zu machen, mit Persönlichkeiten, die in den Geschichtsbüchern stehen (Richelieu, Mazarin), und läßt sie ein paar Dinge tun, die nicht in den Geschichtsbüchern stehen (daß sie Mylady treffen, daß sie Kontakte zu einer gewissen Bonacieux haben), die aber den Geschichtsbüchern auch nicht widersprechen. Natürlich müssen diese Persönlichkeiten, um den Eindruck der historischen Realität zu bekräftigen, dann auch das tun, was sie (den Historikern zufolge) wirklich getan haben (La Rochelle belagern, intime Beziehungen zu Anna von Österreich unterhalten, mit der Fronde zu tun bekommen). In dieses »wahrheitsgemäße« Tableau werden alsdann Phantasiegestalten eingefügt, die aber Gefühle und Reaktionen bezeugen, wie man sie auch Gestalten aus anderen Epochen zuschreiben könnte. Was d'Artagnan tut, während er in London den Schmuck der Königin wiederbeschafft, hätte er auch im 15. oder 18. Jahrhundert tun können. Man braucht nicht im 17. Jahrhundert zu leben, um die Psychologie d'Artagnans zu haben.
    Im wahren historischen Roman, dem dritten Typus, brauchen dagegen keine »bekannten
    Persönlichkeiten« aus den Geschichtsbüchern aufzutreten. Man denke nur an Die Verlobten : Die bekannteste Persönlichkeit ist der Kardinal Federigo, den vor Manzoni nur wenige kannten (viel bekannter war der andere Borromeo, San Carlo). Doch alles, was Renzo, Lucia oder Fra Cristoforo tun, konnte nur in der Lombardei des 17. Jahrhunderts getan werden. Das Handeln und Denken der Romanpersonen dient zum besseren Verständnis der Geschichte. Ereignisse und Personen sind erfunden, doch sie sagen uns über das Italien jener Zeit Dinge, die uns von den Geschichtsbüchern niemals so klar gesagt worden waren.
    In diesem Sinne wollte ich einen historischen Roman schreiben: »historisch« nicht, weil Ubertin von Casale und Michael von Cesena (oder Bernard Gui und Kardinal del Poggetto) wirklich existiert haben und mehr oder weniger das sagen sollten, was sie wirklich gesagt haben, sondern weil alles, was fiktive Personen wie William sagen, in jener Epoche sagbar sein sollte.
    Ich weiß nicht, wie treu ich diesem Vorsatz geblieben bin. Ich glaube nicht, daß ich ihn mißachtet habe, wenn ich Zitate von späteren Autoren (wie Wittgenstein) als Zitate aus der Epoche maskierte. In solchen Fällen wußte ich schließlich sehr genau, daß es nicht

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