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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sondern überdies auch noch in ein unlösbares Rätsel gekleidet hatte.
    »Laß nur, hör auf, dich zu entschuldigen«, unterbrach William meinen Redeschwall. »Im Grunde hast du ja recht, wir wissen noch viel zu wenig. Komm jetzt, der Abt wartet.«

VESPER
    Worin William ein weiteres Gespräch mit dem Abt führt, einige recht wunderliche Ideen zur Orientierung im Labyrinth entwickelt und schließlich das Rätsel auf die vernünftigste Weise löst. Dann wird der Kaasschmarrn gegessen.
    Der Abt erwartete uns mit besorgter Miene. Er hielt einen Brief in der Hand.
    »Ich habe ein Schreiben vom Abt in Conques erhalten«, begann er sogleich. »Er teilt mir mit, wem der Papst das Kommando über die französischen Bogenschützen und die Sorge für die Sicherheit seiner Legaten anvertraut hat: Es ist weder ein Kriegsmann noch einer des Hofes, und er wird gleichzeitig Mitglied der pontifikalen Legation sein.«
    »Ungewöhnliche Mischung verschiedener Tugenden«, sagte William. »Wer ist es denn?«
    »Bernard Gui.«
    William fuhr auf wie von der Tarantel gestochen und stieß einen heftigen Ausruf in seiner Muttersprache hervor, den weder ich noch der Abt verstanden – was vielleicht auch besser für alle war, denn das kurze Wort, das William da ausrief, zischte recht unanständig.
    »Das gefällt mir gar nicht«, fügte er rasch hinzu. »Bernard Gui war jahrelang die Geißel der Ketzer in Okzitanien, er hat sogar eine Practica officii inquisitionis heretice pravitatis geschrieben, ein Handbuch für alle, die sich bemüßigt fühlen, Waldenser, Beginen, Freigeister, Fratizellen und Dolcinianer zu jagen.«
    »Ich weiß, ich kenne das Buch«, nickte der Abt. »Bewundernswert in seiner Stringenz.«
    »Bewundernswert in seiner Stringenz«, gab William zu. »Bernard ist dem Papst ergeben wie keiner, er war in den letzten Jahren mehrfach als Inquisitor in besonderer Mission nach Flandern und hierher nach Oberitalien geschickt worden, und auch nach seiner Ernennung zum Bischof in Galizien hat er sich niemals in seiner Diözese blicken lassen, sondern mit unverminderter Schärfe seine Ketzerjagd fortgesetzt. Ich dachte allerdings, er hätte sich jetzt ins Bistum Lodeve zurückgezogen, aber wie es aussieht, schickt ihn Johannes von neuem los, und ausgerechnet zu uns nach Oberitalien! Warum gerade ihn, noch dazu ausgestattet mit Befehlsgewalt über Bewaffnete?«
    »Die Antwort liegt auf der Hand«, versetzte der Abt, »und sie bestätigt alle meine Befürchtungen, die ich Euch gestern anvertraut habe. Ihr wißt sehr wohl, Bruder William, auch wenn Ihr es mir gegenüber nicht zugeben wollt, daß die Stellungnahme des Kapitels zu Perugia im Streit um die Armut Christi und der Kirche, bei aller Subtilität ihrer theologischen Deduktionen, im Grunde die gleiche ist, die auch, gewiß grobschlächtiger und weniger orthodox, von zahlreichen Ketzergruppen vertreten wird. Es ist nicht schwer zu beweisen, daß die Haltung Michaels von Cesena, die sich nun der Kaiser zu eigen gemacht hat, weitgehend identisch ist mit der Haltung Ubertins von Casale und seines Freundes Angelo Clareno. Bis hierher werden die beiden Legationen, die päpstliche und die kaiserliche, sich auch gewiß einigen können. Aber Bernard Gui ist imstande, noch weiter zu gehen, und er hat das erforderliche Format: Er wird zu behaupten versuchen, daß die Thesen von Perugia identisch sind mit denen der Fratizellen, ja denen der Pseudo-Apostoli. Stimmt Ihr mir zu?«
    »Meint Ihr, daß es so ist, oder daß Bernard behaupten wird, daß es so sei?«
    »Sagen wir«, wich der Abt diplomatisch aus, »ich meine, daß er es behaupten wird.«
    »Darin stimme ich Euch zu. Aber das war ja vorauszusehen. Ich meine, wir wußten, daß damit zu rechnen sein würde, auch ohne den Auftritt Bernards. Der gewiefte Dogmatiker wird die Debatte höchstens noch rascher und effizienter auf diesen Punkt bringen als die vielen neuernannten Kurialen. Man wird also gegen ihn noch subtiler argumentieren müssen.«
    »Gewiß«, sagte der Abt, »aber nun sind wir bei dem Problem, das ich gestern ansprach. Wenn wir bis morgen nicht den Urheber der beiden oder möglicherweise der drei Verbrechen gefunden haben, werde ich Bernard gestatten müssen, die Abtei mit seinen Soldaten zu überwachen. Ich kann einem Manne mit seinen Vollmachten (die ihm, vergessen wir das nicht, mit Zustimmung beider Seiten erteilt worden sind) schlechterdings nicht verheimlichen, daß hier in der Abtei unerklärliche Dinge geschehen sind

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