Der Name der Rose
Schmuck erleichtert wurden): Er hatte sich den Schatz seines Onkels unter den Nagel gerissen, und das war nicht wenig, und Johannes wußte genau darüber Bescheid (in Cum venerabiles zählt er exakt die Reichtümer auf: die Münzen, die Gold- und Silberschalen, die Bücher, die Teppiche, die Edelsteine, das Geschmeide …). Doch er tat so, als ob er nicht wüßte, daß Bertrand sich bei der Plünderung von Carpentras um mehr als anderthalb Millionen Goldflorin bereichert hatte, und diskutierte mit ihm über weitere dreißigtausend, die der Neffe von seinem Onkel ›für einen frommen Zweck‹ erhalten zu haben gestand, das heißt für einen Kreuzzug. Sie einigten sich darauf, daß Bertrand die Hälfte der Summe für den Kreuzzug verwenden und die andere Hälfte an den Heiligen Stuhl zurückgeben sollte. Freilich hat Bertrand den Kreuzzug dann nie unternommen, jedenfalls nicht bis zum heutigen Tage, und der Papst hat nie einen Gulden von seiner Hälfte gesehen …«
»Dann ist er wohl doch nicht ganz so gerissen«, warf Michael ein.
»Es war das einzige Mal, daß er sich in Geldsachen übers Ohr hauen ließ«, ergriff Ubertin wieder das Wort. »Du mußt wissen, mit was für einem Geschäftemacher du es zu tun hast. In allen übrigen Fällen hat er ein geradezu diabolisches Talent im Raffen bewiesen. Er ist ein König Midas: Alles, was er berührt, wird zu Gold und fließt in die Kassen Avignons. Jedesmal, wenn ich seine Gemächer betrat, fand ich dort Bankiers und Geldwechsler, Tische voller Goldmünzen und Kleriker, die sie zählten, säuberlich Gulden auf Gulden häufend … Und was für einen Palast er sich hat errichten lassen, mit Reichtümern, wie man sie einst nur dem Kaiser von Byzanz oder dem Großkhan der Tataren zuschrieb! Verstehst du jetzt, warum er so viele Bullen gegen die Idee der Armut ausgesandt hat? Du weißt vielleicht, daß er die Dominikaner dazu getrieben hat, in ihrem Haß auf unseren Orden Christusstatuen zu skulpieren, die den Heiland mit Königskrone, im Purpurmantel mit Goldbesatz und in prächtigen Stiefeln zeigen! In Avignon gibt es Kruzifixe, auf denen Jesus nur mit einer Hand ans Kreuz genagelt ist, die andere berührt einen prallen Geldbeutel, der an seinem Gürtel hängt, um anzudeuten, daß ER den Gebrauch des Geldes zu frommen Zwecken autorisiere …«
»Oh, wie schamlos!« rief Michael aus. »Das ist die reinste Gotteslästerung!«
»Ferner hat Johannes«, ergänzte William, »die päpstliche Tiara um eine dritte Krone erweitert, nicht wahr, Ubertin?«
»Jawohl, zu Beginn des Jahrtausends hatte Papst Hildebrand eine erste angenommen mit der Inschrift Corona regni de manu Dei 82 , vor ein paar Jahrzehnten hatte der ruchlose Bonifaz dann eine zweite hinzugefügt mit der Inschrift Diadema imperii de manu Petri 83 , und Johannes hat schließlich das Symbol nur vervollständigt: drei Kronen, für die geistliche, die weltliche und die kirchliche Macht, ein Symbol der persischen Großkönige, ein heidnisches Symbol …«
Unter den Brüdern am Tisch saß einer, der bisher geschwiegen hatte, da er vollauf damit beschäftigt war, die guten Dinge, die der Abt hatte auftragen lassen, zu vertilgen. Er hatte den verschiedenen Reden ein zerstreutes Ohr geliehen, hin und wieder ein sarkastisches Lachen über den Papst ausgestoßen oder ein zustimmendes Grunzen über die Abscheubekundungen seiner Tischgenossen, ansonsten aber sich darauf beschränkt, sein Kinn von den Soßenresten zu säubern und von den Fleischbrocken, die ihm aus dem zahnlosen, aber gefräßigen Mund fielen. Nur einmal hatte er das Wort an seinen Nachbarn gerichtet, um die Zartheit einer Hammelkeule zu loben. Wie ich später erfuhr, war es der Ehrenwerte Hieronymus, jener Bischof von Kaffa, den Ubertin bei unserem ersten Gespräch vor drei Tagen schon unter den Verstorbenen gewähnt hatte (und ich muß sagen, daß der Gedanke, er sei bereits seit zwei Jahren tot, lange in der ganzen christlichen Welt als wahre Nachricht umging, denn ich bin ihm auch später noch manchmal begegnet; tatsächlich verstarb der Gute wenige Monate nach den Ereignissen, die ich hier schildere – wahrscheinlich an der großen Wut, die ihm der Verlauf des Treffens am folgenden Tag in den Leib pflanzen sollte, wirkte er doch so gebrechlich und so cholerisch, daß ich schon fast geglaubt hätte, es werde ihn auf der Stelle zerreißen).
Nun mischte er sich in die Unterhaltung ein und erklärte mit vollem Munde: »Und außerdem, wißt ihr, hat der
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