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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Ruchlose eine Konstitution verfaßt über die taxae sacrae poenitentiariae 84 , worin er über die Sünden der Geistlichen spekuliert, um auch daran noch zu verdienen. Wenn ein Priester oder Mönch eine fleischliche Sünde begeht, sei's mit einer Nonne, einer Verwandten oder einer beliebigen Frau (denn auch das kommt vor!), erhält er nur Absolution, wenn er siebenundsechzig Goldpfund und zwölf Heller bezahlt. Und wenn er Bestialitäten begeht, kostet es über zweihundert Pfund, aber wenn er sie nur mit Kindern und Tieren begangen hat und nicht mit Frauen, wird das Bußgeld um hundert Pfund verringert. Und eine Nonne, die es mit vielen Männern getrieben hat, sei's gleichzeitig oder nacheinander, sei's drinnen im Kloster oder auch draußen, und die nun Äbtissin werden will, muß hunderteinunddreißig Goldpfund und fünfzehn Heller bezahlen …«
    »Ich bitte Euch, Ehrenwerter Hieronymus«, protestierte Ubertin, »Ihr wißt, daß ich alles andere als ein Freund des Papstes bin, aber hier muß ich ihn verteidigen: Das ist ein verleumderisches Gerücht, das in Avignon unter die Leute gebracht worden ist. Ich habe diese Konstitution nie gesehen!«
    »Sie existiert wirklich!« beteuerte Hieronymus eifrig. »Auch ich habe sie nie gesehen, aber sie existiert ganz bestimmt!«
    Ubertin schüttelte den Kopf, und die anderen schwiegen betreten. Ich merkte, daß sie gewohnt waren, den alten Mitbruder nicht ganz ernst zu nehmen, und mir fiel ein, daß William ihn neulich im Gespräch mit Ubertin als einen Idioten bezeichnet hatte … William war es, der sich nun bemühte, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, und begütigend sagte er: »Jedenfalls zeigt uns dieses Gerücht, ob es stimmt oder nicht, welches moralische Klima in Avignon herrscht: Alle, ob Ausbeuter oder Ausgebeutete, haben dort das Gefühl, eher auf einem Bazar zu leben als am Hofe des Stellvertreters Christi auf Erden. Als Johannes den Thron bestieg, wurde sein Privatschatz auf etwa siebzigtausend Gulden beziffert. Inzwischen soll er mehr als zehn Millionen zusammengerafft haben.«
    »Das ist wahr«, seufzte Ubertin. »Oh Michael, lieber Michael, du kannst dir nicht vorstellen, welche Schändlichkeiten ich mitansehen mußte in Avignon!«
    »Versuchen wir doch, gerecht zu sein«, besänftigte Michael. »Wir wissen, daß auch unsere Brüder Exzesse begangen haben. Ich weiß von Franziskanern, die bewaffnete Überfälle auf Dominikanerkloster unternommen und die feindlichen Brüder nackt ausgezogen haben, um sie zur Armut zu zwingen … Das war auch der Grund, warum ich es damals im Falle der provencalischen Brüder nicht wagte, mich Johannes entgegenzustellen … Ich möchte ein Abkommen mit ihm treffen, und darum werde ich seinen Stolz nicht demütigen, sondern lediglich von ihm verlangen, daß er unsere Demut nicht demütigt. Ich werde auch nicht über Geld mit ihm reden, sondern ihn lediglich bitten, einer klugen Auslegung der Heiligen Schrift zuzustimmen. Und genau darüber werden wir morgen mit seinen Legaten verhandeln. Letzten Endes sind es doch Männer der Theologie, und nicht alle werden so raffgierig sein wie Johannes. Wenn gelehrte Männer sich auf eine Deutung der Schrift geeinigt haben, wird er nicht anders können, als …«
    »Er wird nicht können? Ha!« fiel Ubertin ihm heftig ins Wort. »Du kennst noch nicht seine maßlosen Pläne in Sachen Theologie! Er will buchstäblich alles binden und lösen, im Himmel wie auf Erden … Was er auf Erden tut, haben wir jetzt gesehen; was den Himmel betrifft … Nun ja, er hat seine Vorstellungen noch nicht klar zum Ausdruck gebracht, jedenfalls noch nicht öffentlich, aber ich weiß, daß er mit seinen Vertrauten darüber gesprochen hat. Er ist dabei, einige wirklich sehr abwegige, wenn nicht perverse Lehrsätze aufzustellen, die den Kern der Heilslehre antasten und unserer Predigt alle Kraft nehmen würden!«
    »Was für Lehrsätze?« kam es von allen Seiten.
    »Fragt Bruder Berengar, er weiß es, er hat mit mir darüber gesprochen.« Ubertin meinte den Bruder Berengar Talloni, der in den letzten Jahren einer der entschiedensten Gegner des Papstes in der Kurie gewesen war und der, aus Avignon kommend, sich vor zwei Tagen der Legation angeschlossen hatte.
    »Ja, das ist in der Tat eine finstere und fast unglaubliche Geschichte«, sagte der Angesprochene düster. »Es scheint, daß Johannes zu behaupten vorhat, die Gerechten würden erst nach dem Jüngsten Gericht das Antlitz Gottes schauen! Schon seit

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