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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Michael nicht, ihm fünf der renitentesten provencalischen Brüder auszuliefern, wohl wissend, daß sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden würden. Doch als ihm dann aufging (wozu Ubertin einiges beigetragen haben dürfte), daß viele im Orden mit den Anhängern des schlichten evangelischen Lebens sympathisierten, sorgte er prompt dafür, daß vier Jahre später das Kapitel zu Perugia sich die Ansichten der Verbrannten zu eigen machte – natürlich im Bestreben, ein vielleicht ketzerisches Bedürfnis in die Lebensweisen und Institutionen des Ordens zu integrieren und den Papst zu veranlassen, diese Absicht zu teilen. Doch während er sich bemühte, den Papst zu überzeugen, ohne dessen Billigung er nichts unternehmen wollte, verschmähte er es gleichwohl nicht, die Gunstbezeugungen des Kaisers und der kaiserlichen Theologen entgegenzunehmen. Erst vor zwei Jahren hatte er auf dem Generalkapitel zu Lyon die Brüder ermahnt, von der Person des Papstes nur mit Mäßigung und respektvoll zu sprechen (und das, nachdem der Papst seinerseits wenige Wochen zuvor höchst abfällig von den Minoriten gesprochen und sich empört hatte über »ihr Gekläffe, ihre Fehler und ihre Torheiten«). Nun aber saß er aufs freundschaftlichste zusammen mit Leuten, die von jenem Papst alles andere als respektvoll sprachen!
    Den Rest habe ich bereits erwähnt: Johannes wollte den obersten Franziskaner in Avignon haben, Michael wollte der Einladung Folge leisten und wollte es auch wieder nicht, und das Treffen am nächsten Tage sollte über die Modalitäten und Sicherheitsgarantien einer Reise entscheiden, die nicht als ein Akt der Unterwerfung, aber auch nicht als einer der Herausforderung erscheinen durfte. Ich glaube nicht, daß Michael dem alten Fuchs von Cahors jemals persönlich begegnet war, zumindest nicht, seit dieser das Amt des Papstes bekleidete. Jedenfalls hatte er ihn lange nicht gesehen, und so beeilten sich nun seine Freunde, ihm die Person jenes ruchlosen Simonisten in den schwärzesten Farben zu malen.
    »Eins mußt du lernen«, sagte William gerade, »traue niemals seinen Schwüren: Er hält sie immer dem Buchstaben nach, bricht sie aber im Geiste.«
    »Alle wissen«, fiel Ubertin ein, »was damals zur Zeit seiner Wahl geschah …«
    »Wahl würde ich es ja nicht gerade nennen«, rief einer der Brüder dazwischen, den ich später Hugo von Novocastrum nennen hörte und dessen Akzent mich an den meines Meisters erinnerte. »Es war eher eine Usurpation. Schon der Tod Clemens' V. ist nie ganz aufgeklärt worden. Der König hatte ihm nicht verziehen, daß er trotz seines Versprechens, das Andenken an Bonifaz VIII. gerichtlich zu verfolgen, später alles getan hatte, um seinen Vorgänger nicht zu desavouieren. Wie er in Carpentras gestorben ist, weiß niemand genau. Tatsache ist, daß die Kardinäle, als sie zum Konklave in Carpentras zusammenkamen, sich auf keinen Nachfolger einigen konnten, weil die Debatte sich (völlig zu Recht) auf die Frage Avignon oder Rom verlagerte. Ich weiß nicht genau, was in jenen Tagen geschah. Ein Massaker, heißt es, die Kardinäle seien vom Neffen des toten Papstes bedroht worden, ihre Diener hingemetzelt, der Palast in Flammen gesteckt, die Kardinäle hätten sich an den König gewandt, der ihnen gesagt habe, er sei nie dafür gewesen, daß der Papst Rom verlasse, sie sollten sich beruhigen und eine gute Wahl treffen … Aber dann starb Philipp der Schöne, auch er unter Gott weiß welchen Umständen …«
    »Oder der Teufel weiß es«, murmelte, sich bekreuzigend und von allen nachgeahmt, Ubertin.
    »Oder der Teufel weiß es«, bestätigte Hugo mit höhnischem Grinsen. »Dann kam ein anderer König, der nach achtzehn Monaten ebenfalls starb, und wenige Tage später starb auch sein neugeborener Erbe, woraufhin sein Bruder den Thron bestieg …«
    »Und das war genau jener Philipp V., der, als er noch Graf von Poitiers gewesen war, die aus Carpentras geflohenen Kardinäle zusammengeholt hatte«, sagte Michael.
    »Genau«, nickte Hugo. »Er steckte sie zum Konklave ins Dominikanerkonvent zu Lyon, wobei er schwor, ihre Unversehrtheit zu wahren und sie nicht als Gefangene zu behandeln. Doch kaum hatten sie sich in seine Hände begeben, ließ er sie nicht nur einschließen (wie es dem Brauch entsprochen hätte), sondern verringerte täglich ihre Kost, bis sie eine Entscheidung getroffen hätten – nicht ohne jedem einzelnen zu versprechen, ihn in seinen Ansprüchen auf den Papstthron zu

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