Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
unterstützen. So ging es zwei Jahre lang, bis er König von Frankreich wurde und die Kardinäle, zermürbt durch ihre Gefangenschaft, inzwischen auf schmalste Kost gesetzt, schon fürchtend, daß sie ihr restliches Leben im Konklave verbringen müßten, sich schließlich einigten und jenen mehr als siebzigjährigen Gnom auf den Heiligen Stuhl setzten …»
    »Gnom ist sehr gut gesagt«, lachte Ubertin. »Verwachsen und schwindsüchtig sieht er aus, aber er ist zäher und gerissener als man denkt.«
    »Der Sohn eines Schusters«, brummte einer der Brüder.
    »Christus war der Sohn eines Zimmermanns«, wies Ubertin den Zwischenrufer zurecht. »Darum geht es nicht. Johannes ist ein gebildeter Mann, er hat in Montpellier die Rechte studiert und in Paris Medizin; er hat es immer bestens verstanden, seine Beziehungen spielen zu lassen, um Bischofssitze und den Kardinalshut zu bekommen, wenn es ihm opportun erschien, und als Berater Roberts des Weisen in Neapel verblüffte er viele mit seinem Scharfsinn. Auch als er Bischof von Avignon war, gab er Philipp dem Schönen immer die richtigen Ratschläge (richtig im Sinne jenes finsteren Unternehmens) zur Ruinierung der Templer. Und nach seiner Wahl entging er erfolgreich einem Komplott von Kardinälen, die ihn umbringen wollten … Aber nicht darüber wollte ich reden, ich sprach von seiner Geschicklichkeit im Brechen von Schwüren, ohne des Meineids bezichtigt werden zu können. Vor seiner Wahl (und um gewählt zu werden) hatte er dem Kardinal Orsini versprochen, den Sitz des Papstes wieder nach Rom zu verlegen, und zur Bekräftigung hatte er bei der geweihten Hostie geschworen, er werde, wenn er sein Versprechen nicht halte, nie wieder ein Pferd oder einen Maulesel besteigen. Und wißt ihr, was er dann tat, der geriebene Fuchs? Nachdem er sich in Lyon hatte krönen lassen (gegen den Willen des Königs, der nämlich gewollt hatte, daß die Krönung erst in Avignon stattfinde), fuhr er nach Avignon auf der Rhone zu Schiff!«
    Die Brüder lachten im Chor. Der Papst war ein Eidbrecher, ohne Zweifel, aber man konnte ihm einen gewissen Einfallsreichtum nicht absprechen.
    »Er ist ein schamloser Lügner«, stellte William fest. »Hat Hugo nicht gesagt, daß er gar nicht erst versuchte, seinen Betrug zu verbergen? Hast du mir nicht erzählt, Ubertin, was er zu Orsini sagte, als er in Avignon ankam?«
    »Gewiß doch«, fuhr Ubertin eifrig fort. »Er sagte, der Himmel Frankreichs sei so schön, daß er gar nicht wisse, wieso er in eine Stadt voller alter Ruinen wie Rom gehen sollte, und da der Papst als Nachfolger Petri schließlich die Macht zu binden und zu lösen habe, werde er diese Macht nun ausüben und genau da bleiben, wo er sich gerade befinde und wo es ihm so gut gefalle. Als Orsini ihm daraufhin ins Gedächtnis zu rufen versuchte, daß es seine Pflicht sei, auf dem vatikanischen Hügel zu leben, verwies er ihn schroff auf seine Gehorsamspflicht und beendete die Diskussion … Aber die Geschichte mit dem Schwur geht noch weiter: Als Johannes das Schiff verließ, hätte er traditionsgemäß auf einem weißen Pferd, gefolgt von den Kardinälen auf schwarzen Pferden, zum Bischofspalast reiten müssen. Doch er ging zu Fuß, und ich glaube, er hat tatsächlich bis heute nie wieder ein Pferd bestiegen … Und von solch einem Mann erwartest du, lieber Michael, daß er die Versprechen hält, die er dir gibt?«
    Michael schwieg lange. Dann sagte er: »Ich kann den Wunsch des Papstes nach einem Verbleiben in Avignon schon verstehen, und ich diskutiere ihn nicht. Aber der Papst wird auch unseren Wunsch nach Armut und unsere Auslegung des Exempels Christi nicht diskutieren können.«
    »Sei nicht naiv, Michael«, erwiderte William. »Euer Wunsch, unser Wunsch läßt den seinen in einem trüben Licht erscheinen. Sei dir bitte darüber im klaren, daß seit Jahrhunderten kein so Habgieriger mehr auf dem Papstthron gesessen hat. Die Huren von Babylon, gegen die einst unser Freund Ubertin wetterte, die korrupten Päpste, von welchen die Dichter deines Landes sprechen wie jener Dante Alighieri, waren sanfte Lämmer im Vergleich zu diesem Johannes! Er ist eine diebische Elster, schlimmer als ein jüdischer Wucherer, und in Avignon wird mehr Schacher getrieben als in Florenz! Ich denke zum Beispiel an jene schändliche Transaktion mit dem Neffen von Clemens, Bertrand de Goth, demselben, der das Massaker von Carpentras veranstaltet hatte (bei dem die Kardinäle unter anderem um ihren ganzen

Weitere Kostenlose Bücher