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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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lieben Brüder hier so übereinander herfallen, wenn es um die Abtwürde geht.«
    »So glaubt Ihr also, was Nicolas Euch da erzählt hat? Dann ginge es bei den Morden letztlich um einen Investiturstreit?«
    »Ich sagte dir schon, ich will im Augenblick noch keine Hypothese äußern. Nicolas hat eine ganze Menge erzählt. Einiges davon hat mich interessiert. Aber jetzt gehe ich, um eine andere Spur zu verfolgen. Oder vielleicht auch dieselbe, nur von einer anderen Seite … Und du laß dich nicht zu sehr von diesen Schreinen bezaubern. Stücke vom heiligen Kreuz habe ich in anderen Kirchen schon viele gesehen. Wenn die alle echt wären, wäre unser Erlöser nicht auf zwei überkreuzte Balken genagelt worden, sondern auf einen ganzen Wald.«
    »Meister!« rief ich entsetzt.
    »So ist es, Adson. Und es gibt noch reichere Schätze als diesen hier. Vor Jahren sah ich im Kölner Dom den Schädel Johannes' des Täufers im Alter von zwölf Jahren.«
    »Wirklich?« rief ich bewundernd aus. Und dann, von einem plötzlichen Zweifel erfaßt: »Aber der Täufer war doch viel älter, als er geköpft wurde!«
    »Der andere Schädel liegt sicher in einem anderen Kirchenschatz«, sagte William mit todernster Miene. Nie merkte ich bei meinem Meister, wann er scherzte. Wenn man in meiner Heimat einen Scherz machen will, dann sagt man etwas und bricht in geräuschvolles Lachen aus, damit alle Anwesenden auch richtig mitlachen können. William dagegen lachte nur, wenn er ernste Dinge sagte, und blieb vollkommen ernst, wenn er vermutlich scherzte.

TERTIA
    Worin Adson beim Hören des »Dies irae« einen Traum hat, man kann es auch eine Vision nennen.
    William entbot Nicolas seinen Gruß und ging hinauf ins Skriptorium. Ich hatte inzwischen genug von dem Schatz gesehen und beschloß, mich in die Kirche zu setzen, um für Malachias' Seele zu beten. Gemocht hatte ich diesen Mann nie besonders, er war mir unheimlich gewesen, und ich verhehle nicht, daß ich ihn lange verdächtigt hatte, der Urheber aller hier geschehenen Verbrechen zu sein. Nun hatte ich erfahren, daß er vielleicht bloß ein armer Teufel gewesen war, gepeinigt von unbefriedigten Leidenschaften, ein irdener Krug zwischen eisernen Krügen, verdüstert, weil er sich verloren fühlte, schweigsam und ausweichend, weil ihm bewußt war, daß er nichts zu sagen hatte. Ich schämte mich ein wenig, ihn verdächtigt zu haben, und dachte, ein Gebet für sein Schicksal im Jenseits würde mein schlechtes Gewissen etwas beruhigen können.
    Das Kirchenschiff lag jetzt in einem fahlen Zwielicht, der weite Raum war beherrscht vom Katafalk des Verstorbenen und erfüllt vom gleichmäßigen Gemurmel der Mönche, die das Totengebet rezitierten.
    Im Kloster zu Melk hatte ich schon mehrere Male den Heimgang eines Mitbruders erlebt. Es war ein Geschehen gewesen, das ich zwar gewiß nicht als heiter bezeichnen könnte, aber doch stets als feierlich empfunden hatte, beherrscht von gesammelter Ruhe und einem entspannten Gefühl des Friedens. Alle traten der Reihe nach in die Zelle des Sterbenden, um ihm Trost zu spenden mit guten Worten, und jeder dachte bei sich, wie glücklich doch dieser Sterbende war, da er nun ein tugendhaftes Leben beschloß und bald schon vereint sein würde mit dem Chor der himmlischen Engel in ewiger Freude. Ein Teil dieser Feierlichkeit, ein Hauch dieser frommen Neidgefühle übertrug sich gewiß auf den Sterbenden, so daß er am Ende heiter entschlief. Wie anders waren die Todesfälle der letzten Tage gewesen! Ich hatte schließlich aus nächster Nähe mitangesehen, wie ein Opfer der Teufelsskorpione aus dem Finis Africae starb, und sicher waren auch Berengar und Venantius so gestorben, verzehrt von innerem Feuer, im Wasser Linderung suchend, die Züge gräßlich verzerrt wie bei dem armen Malachias …
    Ich setzte mich fröstelnd hinten ins Kirchenschiff, zog die Schultern hoch und drückte die Arme fest an den Leib, um der Kälte zu wehren. Sanfte Wärme durchströmte mich, ich bewegte die Lippen, um mich in den Chor der betenden Brüder einzufügen, folgte ihren psalmodierenden Worten, fast ohne zu merken, was meine Lippen da murmelten. Der Kopf wurde mir schwer, die Augen fielen mir zu, ich muß lange so dagesessen haben, mindestens drei- oder viermal nickte ich ein und schrak wieder auf. Dann intonierte der Chor das Dies irae … Der getragene, feierliche Gesang ergriff mich wie ein Betäubungsmittel und ich schlief vollends ein. Beziehungsweise, ich fiel in eine

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