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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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silbernen Maschen gewirkt, und in einem Glaszylinder, umwunden mit einem Kranz aus braunrot gewordenen Veilchen und versiegelt mit Gold, einen Knochen vom Arm der heiligen Anna. Ich sah, Wunder über Wunder, auf einem roten, mit Perlen bestickten Kissen, überwölbt von einer gläsernen Glocke, ein Stück der Krippe zu Bethlehem, ich sah einen Streifen vom Purpurgewand des heiligen Evangelisten Johannes, zwei Glieder der Kette, die den Pflock des heiligen Petrus in Rom verschlossen hatte, den Schädel des heiligen Adalbert, das Schwert des heiligen Stephanus, ein Schienbein der heiligen Margaretha, einen Finger des heiligen Vitalis, eine Rippe der heiligen Sophia, das Kinn des heiligen Eoban, den Oberteil vom Schulterblatt des heiligen Chrysostomus, den Verlobungsring des heiligen Joseph, einen Zahn von Johannes dem Täufer, den Stab des Moses und eine verschlissene, schon ganz fadenscheinige Spitze vom Hochzeitskleid der Heiligen Jungfrau Maria!
    Außerdem gab es noch andere Dinge, die nicht Reliquien waren, aber gleichwohl Zeugnisse von Wundern und wundersamen Wesen aus fernen Ländern, in die Abtei gebracht von Mönchen, die weite Reisen getan bis an die Ränder der Welt: einen Basilisk und eine Hydra, beide ausgestopft, das Horn eines Einhorns, ein Ei, das ein Eremit in einem anderen Ei gefunden hatte, einen Brocken Manna von der Nahrung der Kinder Israel auf ihrer Wanderung durch die Wüste, einen Walfischzahn, eine Kokosnuß, das Schulterbein eines vorsintflutlichen Tieres, den Stoßzahn eines Elefanten, ganz aus Elfenbein, und die Rippe eines Delphins. Dazu noch andere Reliquien, die ich nicht erkannte und bei denen die Schreine womöglich kostbarer waren als sie selbst, manche davon schienen uralt zu sein (nach der Machart ihrer Behälter zu urteilen, die aus geschwärztem Silber waren), eine endlose Reihe von Knochensplittern, Stoffresten, Holzund Metallstücken, Glasscherben. Dazu Flaschen mit dunklen Pulvern darin, von einer erfuhr ich, sie enthalte die verkohlten Überreste der Stadt Sodom, von einer anderen, sie berge Kalk von den Mauern Jerichos. Lauter Dinge also, und seien sie noch so unscheinbar, für die ein Kaiser mehr als ein Lehen gegeben hätte und die für das Kloster, das sie zu seinen Schätzen zählen durfte, nicht nur eine Quelle immensen Prestiges darstellten, sondern auch einen Fundus echten, materiellen Reichtums.
    Ich ging immer noch wie betäubt umher, als Nicolas schon längst aufgehört hatte, uns die einzelnen Gegenstände zu erläutern, die im übrigen alle kurze Inschriften trugen; ich bewegte mich frei und planlos zwischen all diesen unschätzbaren Reichtümern, bald die Wunderdinge in hellem Lichte bestaunend, bald im Halbdunkel nach ihnen spähend, wenn Nicolas' Gehilfen mit ihren Fackeln sich in einen anderen Teil der Krypta begeben hatten. Ich war fasziniert von diesen vergilbten Knorpeln, die mir gleichzeitig mystisch und abstoßend, transparent und geheimnisvoll erschienen, von diesen Stoffetzen aus unvordenklichen Zeiten, die zuweilen in einer Phiole zusammengerollt waren wie eine verblaßte Handschrift, von diesen zerbröselten Materien, die sich vermischten mit dem Stoff, der ihnen als Lager diente, heilige Überreste eines einst animalisch (und rational) gewesenen Lebens, die sich nun, eingesperrt in kristallene oder metallene Gehäuse, welche in ihren winzigen Dimensionen die Kühnheit steinerner Dome nachzuahmen versuchten mit ihren Türmen und Dachreitern, selbst in Minerale verwandelt zu haben schienen. So also, dachte ich, warten die Leiber der begrabenen Heiligen auf die Auferstehung des Fleisches? Aus diesen Splittern sollen sich dereinst jene Organismen wieder zusammenfügen, die, im strahlenden Licht der Anschauung Gottes, ihre ganze natürliche Sinnlichkeit wiedergewinnend, alles wahrnehmen werden, selbst noch, wie Pipernus schrieb, die minimas differentias odorum 100 ?
    Eine Berührung riß mich aus meinen Meditationen. Es war William, der mir die Hand auf die Schulter legte. »Ich gehe jetzt«, sagte er, »ich muß noch einiges nachlesen im Skriptorium …«
    »Aber man bekommt doch keine Bücher«, sagte ich. »Benno hat Order …«
    »Ich muß nur nochmal die Bücher durchsehen, die ich gestern gelesen habe, sie sind alle noch im Skriptorium auf dem Tisch des Venantius. Du kannst hierbleiben, wenn du willst. Diese Krypta ist wirklich ein schönes Nachwort zu den Debatten über die Armut, die du in diesen Tagen miterlebt hast. Jetzt weißt du, warum deine

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