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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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den Hof. Ein paar Knechte hatten Leitern herbeigeholt und versuchten, auf diesem Wege die Fenster des Oberstocks zu erreichen und Wasser hinaufzuschaffen. Doch die längsten Leitern reichten gerade bis zu den Fenstern des Skriptoriums, und die hinaufgeklettert waren, konnten sie nicht von außen öffnen. Jemand solle gehen und sie rasch von innen öffnen, riefen sie, aber niemand wagte sich mehr hinein.
    Unterdessen schaute ich zu den Fenstern im dritten Stockwerk hinauf. Die ganze Bibliothek war inzwischen ein einziger lodernder Brandherd, das Feuer raste von Raum zu Raum und fand überall reichlich Nahrung an den Tausenden und Abertausenden trockener Seiten. Sämtliche Fenster waren jetzt hell erleuchtet, und schwarzer Rauch stieg aus dem Dach: Die Flammen hatten bereits das Gebälk erfaßt. Das Aedificium, das unten so fest und vierschrötig auf dem Boden zu stehen schien, offenbarte in jener Region seine Schwäche, die Risse in seinen von innen zerfressenen Mauern mit ihren zerbröckelnden Steinen, zwischen denen das Feuer überall zu den hölzernen Tragbalken vordringen konnte.
    Knallend zerbarsten mehrere Fenster, wie aufgesprengt von einer inneren Kraft. Funken stoben hervor und flogen als schweifende Lichtpunkte durch die Nacht. Der Wind war ein wenig schwächer geworden, und das war ein Unglück, denn als Sturm hätte er die Funken vielleicht gelöscht, als Brise aber trieb er sie auf und entfachte sie, und mit ihnen flogen brennende Pergamentfetzen durch die Luft gleich lebendig gewordenen Fackeln. Dann ertönte ein dumpfes Krachen: Der Boden des Labyrinths hatte nachgegeben, brennende Balken stürzten in das darunterliegende Stockwerk, schon züngelten Flammen im Skriptorium auf, das ebenfalls voller Schränke und Bücher und loser Blätter war, die nur darauf warteten, sich vom ersten Funken entzünden zu lassen. Einige Miniatoren schrien verzweifelt auf, schlugen die Hände über den Köpfen zusammen und beschlossen heroisch, noch einmal hinaufzuspringen, um ihre geliebten Pergamente zu retten. Vergebens, Küche und Refektorium waren nur noch ein einziges Knäuel verlorener Seelen, die in planloser Hast durcheinanderliefen, sich gegenseitig behindernd, stoßend, zu Boden werfend. Wer noch ein Gefäß hielt, vergoß seinen rettenden Inhalt, die Maultiere spürten das Nahen des Feuers, schlugen aus und stürmten in panischer Angst zu den Ausgängen, wo sie die Menschen wild überrannten und sogar ihre eigenen Pfleger traten. Kein Zweifel, es war jetzt deutlich zu sehen, dieser wimmelnde Haufe einfacher Bauernsöhne und frommer, gebildeter, aber höchst unbeholfener Männer versperrte sich selbst, da von niemandem angeleitet, auch noch die wenigen Rettungswege, die er hätte beschreiten können.
    Die ganze Abtei war in wilder Erregung. Doch die Tragödie hatte erst gerade begonnen. Denn die Funkenwolke, die jetzt ungehindert aus Dach und Fenstern hervorbrach, verteilte sich rasch und erreichte, vom Wind angetrieben, das Dach der Kirche. Jedermann weiß, wie anfällig stolze Dome und Kathedralen für den verheerenden Biß der Flammen sind. Denn das Haus Gottes erscheint zwar prachtvoll und wohlgewappnet wie das Himmlische Jerusalem dank der steinernen Hülle, mit der es prunkt, doch seine Mauern und Bögen stützen sich auf eine zarte, kunstvoll gefügte Struktur aus Holz, und wenn die steinerne Kirche uns oftmals an die verehrungswürdigen Wälder erinnert mit ihren Säulen und Pfeilern, die kühn zum Himmel aufragen wie Eichen, so hat sie von Eichen auch häufig den Leib – und hölzern sind ihre Innenbauten, Altäre, Chorgestühl, Bänke, Votivtafeln, Kandelaber … So war es auch bei der Abteikirche mit dem wunderschönen Portal, das mich am ersten Tage so tief beeindruckt hatte: Im Handumdrehen fing sie Feuer. Die Mönche und alle auf dem Gelände begriffen sofort, daß damit der Fortbestand der Abtei gefährdet war, und stürzten los, noch kühner und planloser als zuvor, um der neuen Gefahr zu wehren.
    Gewiß war die Kirche zugänglicher und mithin leichter gegen den Brand zu verteidigen als die Bibliothek. Die Bibliothek hatte sich selbst verdammt durch ihre labyrinthische Anlage, durch ihr eifersüchtig gewahrtes Geheimnis, durch ihr Geizen mit Zugängen. Die Kirche dagegen, die sich allen mütterlich aufgetan hatte in den Stunden der Andacht, stand nun in der Stunde der Not auch allen Helfern offen. Doch es gab kein Wasser mehr, jedenfalls nicht genug, die Brunnen spendeten es mit natürlicher

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