Der Narr
Alice! Sie kannte einfach ihren Platz nicht«, sagte Nimue beiläufig.
»Was ist dort oben auf der Plattform passiert? Wie wird aus einem Liebeszauber ein Mord?«
»Der Altar war schon vorbereitet. Marion hatte mir ein Haar von Phil organisiert, das ich bereits in der ersten Kerze versiegelt hatte. Ich wollte aber auf Nummer sicher gehen. Wieso sollte eine unscheinbare Sklavin den schönsten Mann besitzen? Natürlich hätte ich mein Haar für das Ritual genommen. Als ich zurück auf die Plattform kam, sah ich Alice. Sie war skyclad und die Kerzen brannten bereits. Es war zu spät. Alice lachte und sagte mir, dass Phil fortan viel Liebe für Katzen empfinden würde. Dieses verdammte Luder! Sie war der Meinung, dass es Marions Verdammnis wäre, an Phil gebunden zu sein. Sie hatte geplant, alles auffliegen zu lassen. Alles war nur ein Trick gewesen und sie wüsste jetzt, dass Menschen wie Phil nichts in einer Szene zu suchen hätten, in der es noch so viel zu erreichen gab. Die göttliche Vorhersehung war in Gefahr, aber es war nicht ihr Recht, meine Pläne zu durchkreuzen. Mir wurde klar, dass die Götter mich auf die Probe stellen wollten. Sie wollten mich prüfen. Ich sollte ihnen beweisen, wie ernst ich es meinte. Sie wollten keine Haare, sie wollten Blut sehen. Sie wollten ihr Kind natürlich nicht leichtfertig in die Hände einer Frau geben, die nicht bis zum Letzten für sie gehen würde.«
Sam wusste nicht, was er sagen sollte.
»Die Karten haben auch gesagt, dass ein Narr und ein Magier in der Zukunft meinem Weg kreuzen werden. Bis bald.« Mit diesen Worten legte sie auf.
*
Ein paar Tage später hielt eine schwarze Limousine vor der Schule, die Angelika Kratochvil besuchte. Die Siebenjährige wurde von einem Blitzlichtgewitter nahezu geblendet. Die Tür der Limousine sprang auf und ein unbekannter Mann rannte auf sie zu und stellte sich schützend vor die Kameras. Das also war ihr neuer Vater.
Dr. Karl Heisenstein beugte sich zu ihr herab und drückte ihr einen Stoffteddybären in den Arm. Ein wahrer Engel. Zudem galt sie als exzellente Schülerin, willensstark und ordentlich. Er blickte in die blauen Augen und war sofort verzaubert. Sie war perfekt.
Lächelnd gab er ihr die Hand. Wohl die Hälfte der Leser, die tags darauf die Boulevardzeitungen lesen, würden dahinschmelzen. Ein Bankier hatte seine Tochter verloren und bald darauf eine neue angenommen. Das liebten die einfachen Leute. Seine Aktien waren wieder gestiegen.
Im Auto erstaunte ihn die Kleine erneut. Sie hatte ihre Schultasche ordentlich auf den Boden gestellt und sich, wie es sich gehörte, sofort angeschnallt, nachdem sie sich aufrecht hingesetzt hatte. Neugierig darauf, was diese neue Welt noch alles für sie bereithielt, musterte sie das Interieur der Limousine – geradezu als hätte sie schon bei ihrer Geburt gelernt, dass eine exakte Beobachtungsgabe in jungen Jahren ein Grundpfeiler des späteren Erfolgs war.
»Wir fahren zum Flughafen«, sagte ihr neuer Vater. »Ich werde dir das Meer zeigen.«
Nur eines hatte er noch zu erledigen und dann hatte er wirklich Urlaub. Er holte sein Handy aus der Tasche und tippte eine Botschaft hinein: ›Sie haben grünes Licht, Professor!‹
*
Die klingonische Siegeshymne schreckte Sam hoch. Am Vortag war es wieder einmal spät geworden. Doch dieses Mal gab es keinen Grund, die Wahl des Klingeltons zu bereuen. Es hatte lange gedauert, bis er das Abenteuer in allen Details erzählt hatte. Es war spät geworden. Sam drängte darauf, aufzubrechen, als zu später Stunde die Gespräche in der Westernbar sich immer mehr wie »Phnglui mglw nafh Cthulhu R'lyeh wgah nagl fhtagn« anhörten. Und nüchtern hatte dort nach zwölf niemand mehr etwas verloren.
Er sprang aus den Federn und hob ab: »He, des wos du mia do gestan erzöhlt host? Alles wahr? Ohne Scheiß?«
»Ja, Horst. Alles wahr!«
»Und …! He …« Es kam die berüchtigte kurze Ruhe vor dem Sturm. »… und gestan … woa do nu wos, wos ma irgendwie peinlich sei kennt?«
Same procedure as after the last drinking? Same procedure as after every drinking!
»Du hast gestern zu später Stunde die Hosen runter gelassen und laut geschrien: ›In C++ programmieren ist für’n Arsch!‹«, gab Sam zurück. »Du könntest dir auch mal einen anderen Schmäh einfallen lassen.«
Sam fühlte sich blendend. Die Welt um ihn herum hatte sich verändert. Er hatte am Vortag neue Menschen kennengelernt und bis spät in die Nacht seine Scherze
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