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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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zu schließen. Es gelang ihnen,
     den Strahl so weit einzudämmen, dass Liang, der sich schwere lederne Arbeitshandschuhe übergestreift hatte, mit wenigen flinken
     Handgriffen die Klappe schließen und den weggeschossenen Bolzen wieder anbringen konnte.
    Marlow packte Wolter vorsichtig bei den Füßen. Die Kleidung hatte sich zu großen Teilen aufgelöst, Stoff- und Hautfetzen blieben
     liegen, als er den schweren Körper über den säuregetränkten Beton schleifte. Schließlich lag Wolter in sicherer Entfernung
     von dem Kesselwagen, inzwischen wieder gänzlich ohne Bewusstsein. Überall an seinem Körper dampfte die Säure, es dauerte etwas,
     bis einer von Marlows Leuten mit einem zweiten Wassereimer kam. Rudi Scheer und die Stahlhelmer schauten immer noch fassungslos
     auf das grausame Schauspiel, Hermann Schäffner starrte mit großen Augen auf den dampfenden, säurezerfressenen massigen Körper
     und vergaß darüber seine eigene blutende Hand.
    Nach ein paar Wasserduschen ließ das Dampfen nach, doch der Anblick des geschundenen Mannes war umso schrecklicher. Die Kleidung
     hing nur noch in Fetzen an Wolters Körper. Seine Hautwar stark gerötet, zum Teil hatten sich Blasen gebildet, an vielen Stellen hatte sie sich gelöst, und man konnte das rohe
     Fleisch sehen. Das Gesicht war zu einer einzigen Fratze entstellt, die Augäpfel hatten sich aufgelöst und waren ausgelaufen
     wie zu weich gekochte Eier. Es war nicht zu erkennen, ob Wolter noch lebte. Auch Marlow zog sich Lederhandschuhe an und beugte
     sich hinunter, um Wolters Jackett zu durchsuchen. Er zog einen feuchten Fetzen Papier hoch und pfefferte ihn wütend auf den
     Boden. Die traurigen Überreste des zweiten Sorokin-Plans, vermutete Rath. Jetzt war auch der, den er Dr. M. vorhin gegeben
     hatte, wertlos geworden.
    Aus dem Ventil tröpfelte es nur noch. Es stank bestialisch. Der stechende Geruch der Säure mischte sich mit dem Metzgereigeruch
     von rohem Fleisch und Blut. Eine widerliche Mischung.
    Rath hielt sich ein Taschentuch vor die Nase und ging zu Wündischs Leuten hinüber.
    »Wir brauchen hier dringend Sanitäter«, sagte er und zeigte auf Wolters leblosen Körper, »wenn die überhaupt noch was ausrichten
     können.«
    Auf seinen Wink hin öffnete einer der Beamten den zweiten Güterwagen. Ein ganzer Trupp Uniformierter sprang auf die Rampe,
     rund fünfzig Mann.
    »Dann nehmt mal alle die Hände hoch«, rief Rath den Stahlhelmern zu. »Aber legt vorher eure Waffen ab.«
    Die jungen Männer, angetrieben von Rudi Scheer, gehorchten sofort. Nach und nach klickten die Handschellen, auch Hermann Schäffner
     musste mitkommen. Rath gab dem Einsatzleiter kurze Anweisungen. Die Männer, die draußen in den Lastwagen warteten, mussten
     auch noch verhaftet werden. Nur Marlows Leute wurden verschont. Es gab keinen Grund, sie mit aufs Präsidium zu nehmen, dafür
     hatte Dr. M. gesorgt. Keiner von ihnen war vorbestraft, für die Waffen konnten sie Waffenscheine vorweisen. Und ihr Chef,
     Inhaber einer Importfirma, hatte der Polizei sogar geholfen, die Falle aufzubauen, und dafür sein Gelände auf dem Güterbahnhof
     zur Verfügung gestellt.
    Marlow löste sich von seinen Leuten und ging zu Rath hinüber.
    »Schöne Scheiße, was? Hatten Sie sich das etwa genau so vorgestellt?«
    Rath schüttelte schweigend den Kopf. Zörgiebels Wort fielen ihm wieder ein: Wird schon schiefgehen.
    Es war schiefgegangen. Gehörig schiefgegangen.
    Wie er das dem Polizeipräsidenten verkaufen wollte, wusste Rath noch nicht. Sie hatten Bruno Wolter bestrafen und aus dem
     Verkehr ziehen wollen, dieses Ziel wenigstens hatten sie erreicht. Wenn auch anders als geplant.
    »Und wie sollen wir nun jemals an das Gold kommen?«, fragte Marlow. Es klang beinahe vorwurfsvoll. »Meinen Sie, der Oberkommissar
     hat eine Kopie von seinem Plan angefertigt?«
    Rath zuckte die Achseln.
    »Keine Ahnung. Und das ist mir, ehrlich gesagt, auch herzlich egal.«
    Er ließ Marlow stehen und ging zu dem Güterschuppen hinüber, aus dem gerade Reinhold Gräf trat, auf wackligen Beinen, den
     Fotoapparat geschultert.
    »Ich hoffe, Sie haben das Finale gerade nicht fotografiert«, sagte er zu dem bleichen Mann.
    »Nee, ich war mit Kotzen beschäftigt«, sagte Gräf. Rath bot ihm eine Overstolz an, und der Kriminalassistent griff diesmal
     tatsächlich zu.
    Die Männer rauchten schweigend und betrachteten den defekten Kesselwagen. Liang, immer noch mit Arbeitshandschuhen bewaffnet,
     stand dort

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