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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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gewartet. Sie sprangen mit gezogenen Waffen
     hinaus. Im Nu standen zwei Dutzend bewaffnete Zivilbeamte auf der Rampe. Hinter ihnen kletterte Liang aus der Lokomotive.
    »’Ne richtige kleine Armee«, sagte Wolter. »Da kann man ja Angst bekommen! Die tun doch hoffentlich nichts.«
    Ein paar junge Stahlhelmer grinsten unsicher über diese Bemerkung. Die beiden SA-Leute fanden es offenbar weniger komisch,
     dass ihr Waffenhandel geplatzt war. Röllecke schaute, als wolle er gleich Feuer spucken.
    »Diese kleine Armee besteht aus vertrauenswürdigen Polizeibeamten und wird Sie und Ihre Leute festnehmen, Oberkommissar Wolter.«
    »Warum sollte sie das tun? Ist es verboten, auf einem Bahnhof zu stehen?«
    »Schauspielerei ist nicht mehr nötig. Wir haben genug gehört. Und genug im Kasten.«
    »Ich fürchte, ich verstehe dich mal wieder nicht.«
    »Ganz einfach: Da oben neben den Schützen steht auch jemand, der gut fotografieren kann.«
    »Und? Was heißt das?« Sollte Wolter überrascht sein, so war es ihm nicht anzusehen.
    »Das heißt, dass die Berliner Polizei jetzt genügend Beweise hat, dass einer ihrer Mitarbeiter, Kriminaloberkommissar Bruno
     Wolter, mit der SA paktiert und illegale Waffengeschäfte treibt.«
    Wolter lachte laut auf. »Ich paktiere mit der SA? Wie kommst du denn darauf?«
    Er hatte den Satz noch nicht beendet, da fiel schon der Schuss. Mit einem Lächeln hatte Wolter abgedrückt und so beiläufig
     ausder Hüfte geschossen, wie sich andere Leute während des Sprechens eine Zigarette anzünden. Ein einziger Schuss.
    Heinrich Röllecke schaute mehr überrascht als entsetzt auf den kleinen roten Fleck auf seiner braunen Hemdbrust, der langsam
     größer wurde. Dann drehte er sich halb um die eigene Achse, während seine Knie einknickten, und stürzte auf den Beton der
     Rampe.
    Hermann Schäffner war sofort bei ihm. Er hockte sich hin und fühlte den Puls. Nur schien da keiner mehr zu sein. Fassungslos
     starrte der SA-Mann seinen toten Chef an. Es dauerte etwas, bis er begriff, was da geschehen war. Dann aber handelte er schnell.
    »Du Schwein!«, brüllte er, zog noch in der Hocke einen schweren Browning-Colt und feuerte wild und wahllos in Wolters Richtung.
     Fünfmal konnte er abdrücken, bevor ein Schuss aus Wolters Luger ihm die Pistole aus der Hand schlug.
    Wolter lachte, als Schäffner von zwei Polizeibeamten überwältigt wurde. Kein einziger Schuss hatte ihn getroffen.
    Aber einige waren in den Kesselwagen neben ihm gegangen. Und einer musste das Ablassventil der mittleren Kammer erwischt haben.
    Wie in Zeitlupe sah Rath einen metallischen Bolzen schräg hinter Wolter auf den Boden fallen. Ein Geräusch wie von einem Glockenschlegel
     war zu hören, als das schwere Teil am Boden aufschlug.
    Im selben Moment, in dem Wolter herumfuhr, um instinktiv auf den vermeintlichen Angreifer zu feuern, schoss Salzsäure aus
     dem defekten Ventil.
    Mit hohem Druck sprühte die Säure aus dem Tank und traf Wolter mitten im Gesicht, verwandelte es im Bruchteil einer Sekunde
     in eine irritierte, schmerzverzerrte Grimasse. Der Reflex ließ Wolter einen sinnlosen Schuss abfeuern, bevor er versuchte,
     seine Augen mit den Armen zu schützen. Die Pistole fiel scheppernd zu Boden.
    Wolter taumelte und wollte sich abstützen, fasste jedoch genau in die Säure, die eine immer größer werdende Lache auf dem
     Beton bildete. Der Schmerz ließ ihn zurückzucken, er stürzte mitdem ganzen Körper zu Boden und sprang wieder auf. Rasend vor Schmerz, blind und orientierungslos lief er genau in die falsche
     Richtung, stieß mit dem Kopf gegen den metallenen Tank, hörte auf zu schreien und stürzte zurück in die dampfende Pfütze aus
     Säure, die der Sprühregen unaufhörlich fütterte.
    Entsetzt sah Schäffner, den zwei Beamte in die Mitte genommen hatten, was er da angerichtet hatte. Alle standen wie versteinert.
    Marlow reagierte als Erster, er gab seinen Männern kurze Befehle und verschwand im Schuppen. Als er kurz darauf mit einem
     Wassereimer zurückkehrte, hatte der Schmerz Wolter wieder zu Bewusstsein kommen lassen, doch ihn schien jede Kraft verlassen
     zu haben. Aus sicherer Entfernung kippte Marlow das Wasser über den zuckenden, sich windenden Körper. Unmöglich, den Hilflosen
     von dem Wagen wegzuziehen, der Säureregen sprühte immer noch. Zwei von Marlows Leuten hatten den defekten Kesselwagen von
     der anderen Seite erklommen und versuchten, das zerschossene Ventil mit einer Eisenstange wieder

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