Der Nebel weicht
Schimpansen. Der Affe schnatterte leise und schlüpfte hinein. Sie paßte nicht sehr gut, und Brock mußte lachen. Dann straffte er seine gebeugten Schultern. „Also gut. Fein. Wir werden alle zusammen wilde Tiere sein. Okay? Kommt ins Haus, dort gibt’s was zu essen.“
9
Wladimir Iwanowitsch Panjuschkin stand unter den Bäumen, ließ den Regen auf den Helm tropfen und an den Schultern seines Mantels herunterrinnen. Es war ein guter Mantel – er hatte ihn nach der letzten Schlacht einem Oberst abgenommen – und ließ das Wasser abperlen wie das Federkleid einer Ente. Daß das Wasser in seinen Stiefeln stand war nicht so wichtig.
Sein Blick schweifte den Abhang des Hügels hinunter, über den Rand des Waldes und dann ins Tal, wo ihm der fallende Regen die Sicht abschnitt. Nichts außer dem unablässig rinnenden Regen rührte sich, und nichts außer seinem ständigen Plätschern und Prasseln war zu hören. Das Instrument aber behauptete, daß eine Einheit der Roten Armee in der Nähe sei.
Er sah es an, es lag in der Hand des Priesters. Die Nadel war durch das Wasser, das über die Glasscheibe der Anzeige rann, nicht deutlich zu erkennen, aber man konnte sehen, daß die Nadel tanzte. Er verstand das Ding nicht – der Priester hatte es aus einem erbeuteten Radio gebaut –, aber es hatte schon mehrfach rechtzeitig gewarnt.
„Ich würde sagen, sie sind ungefähr zehn Kilometer entfernt, Wladimir Iwanowitsch.“ Der Bart des Priesters bewegte sich im Takt seiner Worte. Er war durch den Regen benetzt und hing steif über seine einfache Kutte. „Sie fahren im Kreis und kommen uns nicht näher; vielleicht führt Gott sie in die Irre.“
Panjuschkin zuckte mit den Schultern. Er für sein Teil war Materialist, aber wenn der Mann Gottes gewillt war, ihm gegen die sowjetische Regierung zu helfen, war er froh, diese Hilfe zu akzeptieren. „Vielleicht haben sie auch nur andere Pläne“, erwiderte er. „Ich glaube, wir sollten Fjodor Alexandrowitsch konsultieren.“
„Es ist nicht gut für ihn, daß er so oft verwendet wird, mein Sohn“, sagte der Priester. „Er ist sehr müde.“
„Das sind wir alle, mein Freund“, meinte Panjuschkin tonlos. „Aber das hier ist eine Schlüsseloperation. Wenn es uns gelingt, nach Kirowagrad durchzustoßen, können wir die Ukraine vom Rest des Landes isolieren. Dann können sich die ukrainischen Nationalisten mit der Hoffnung auf Erfolg erheben.“
Er pfiff leise ein paar Noten mit einer großen Bedeutung. Musik konnte zu einer Sprache gemacht werden. Der gesamte Aufstand im sowjetischen Imperium hing zum Teil von geheimen Sprachen ab, die über Nacht geschaffen worden waren.
Der Sensitive kam aus dem tropfenden Unterholz, das Panjuschkins Truppen verbarg. Für seine vierzehn Jahre war er klein, und seine Augen blickten ausdruckslos und leer. Der Priester bemerkte die hektische Röte auf seinen Wangen und bekreuzigte sich, während er ein Gebet für den Jungen murmelte. Es war schlimm, daß sie ihn sofort in Anspruch nehmen mußten, aber wenn die Gottlosen überhaupt besiegt werden sollten, dann mußte es bald geschehen, und ohne die Sensitiven ging es nicht. Sie waren die unzerreißbaren, nicht abhörbaren geheimen Verbindungen der Rebellen von Wladiwostock bis Riga, und die Besten von ihnen waren Spione, wie sie keine Armee der Welt je zuvor gehabt hatte. Aber es gab immer noch viele, die zu den alten Herren standen, aus gedankenloser Loyalität, aus Furcht oder Egoismus – und sie verfügten über den größten Teil der Waffen. Daher hatten die Rebellen ein völlig neues Konzept der Kriegsführung entwickeln müssen.
Ein Volk mag seine Regierung vielleicht hassen, duldet sie aber, weil es weiß, daß jene, die Widerstand leisten oder auch nur protestieren, sterben werden. Wenn es aber gelingt, alle Menschen dazu zu bringen, gleichzeitig zu handeln – oder mit einer letztendlich tödlichen Friedfertigkeit den Gehorsam zu verweigern –, kann die Regierung nur einige wenige erschießen. Von ihren Wurzeln der Kraft, dem Land und der Bevölkerung, abgeschnitten, ist eine Regierung höchst verwundbar, und es könnte weniger als einer Million bewaffneter Männer gelingen, sie zu stürzen.
„Da hinten ist ein roter Stern“, sagte Panjuschkin und deutete in den fallenden Regen. „Kannst du uns sagen, was sie vorhaben, Fjodor Alexandrowitsch?“
Der Junge setzte sich auf den triefenden, durchnäßten Abhang des Hügels und schloß die Augen. Panjuschkin beobachtete
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