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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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wird), bedeutete Rossman. Wir haben sie den vergangenen Monat im geheimen daran arbeiten lassen, da wir mit einem Angriff rechnen. Die Städte, von denen wir glauben, daß sie angegriffen werden, sind jetzt geschützt – hoffentlich. (Aber es ist problematisch, mir wäre es lieber, wenn wir eine andere Möglichkeit hätten.)
    „Welche?“ Wir wissen durch unsere Spione und durch Schlußfolgerungen, daß die Sowjets ihre Interkontinentalraketen weiterentwickelt haben und daß sie verzweifelt sind. Aufstände zu Haus, Waffen und Hilfsmittel für die Rebellen werden aus Amerika eingeschmuggelt. Sie werden einen letzten Versuch unternehmen, uns auszulöschen, und wir gehen davon aus, daß der Angriff heute nacht erfolgen wird. Aber wenn der fehlschlägt, haben sie ihr Pulver verschossen. Es muß ihre letzten Reserven verschlungen haben, diese Raketen zu entwickeln und zu bauen.
    „Laß sie sich im Kampf gegen uns erschöpfen, während die Rebellen ihr Land übernehmen. Diktaturen sind überlebt.“
    „Aber was wird an ihre Stelle treten?“
    „Das weiß ich nicht. Die Raketen, auf die wir jetzt warten, sind meiner Meinung nach das letzte Aufbäumen des primitiven Menschen. Haben Sie nicht das zwanzigste Jahrhundert einmal als die Ära der schlechten Manieren bezeichnet? Bisher waren wir alle dumm – unglaublich dumm! Aber das verschwindet jetzt alles.“
    „Und hinterläßt … nichts.“ Rossman zündete sich eine weitere Zigarette am Stummel der anderen an. Das kurze rote Aufleuchten ließ sein feingeschnittenes Gesicht scharf aus der Dunkelheit hervortreten.
    „O ja“, fuhr er fort, „die Zukunft wird keine Ähnlichkeit mit der Vergangenheit haben. Wahrscheinlich wird es immer noch eine Gesellschaft – oder Gesellschaften – geben, aber sie werden nicht von der Art sein, wie wir sie bisher kennen. Vielleicht wird es sich um rein abstrakte, geistige Gebilde handeln – Interaktion auf symbolischer, Ebene. Trotzdem können sich aus unseren neuen Fähigkeiten bessere oder schlechtere Gesellschaftsformen entwickeln, und ich glaube, daß die schlechteren sich durchsetzen werden.“
    „Hm“, Mandelbaum zog kräftig an seiner Pfeife. „Abgesehen von dem Umstand, daß wir wieder bei Null anfangen müssen und daher Fehler unvermeidbar sind – warum sollte das notwendigerweise so sein? Ich fürchte, Sie sind der geborene Pessimist.“
    „Zweifellos. Ich habe zweimal erlebt, daß die Welt in Blut und Tränen versunken ist. Selbst vor 1914 waren schon deutliche Zerfallserscheinungen feststellbar. Angesichts solcher Tatsachen muß jeder vernünftige Mensch pessimistisch werden. Aber ich bin wirklich davon überzeugt, daß ich recht habe. Der zivilisierte Mensch ist effektiv wieder auf die Stufe des Wilden zurückgesunken. Nein, nicht einmal das, denn selbst der Wilde hat sein eigenes Lebenssystem.“
    Mandelbaum wies auf die Stadt vor dem Fenster. „Ist das tierisch?“
    „Ameisen und Biber sind gute Ingenieure.“ Oder waren es jedenfalls. Ich frage mich, womit die Biber sich jetzt befassen. „Bauwerke irgendwelcher Art sind im Grunde genommen unbedeutend. Sie sind nur möglich auf einem sozialen Hintergrund aus Wissen, Tradition, Wünschen und Absichten – sie sind Symptome, keine Ursachen. Uns aber ist unser gesamter Hintergrund praktisch von einem Tag auf den anderen entzogen worden.
    Oh, wir haben nichts vergessen, nein. Aber es ist nicht länger von Wert für uns, höchstens noch Werkzeug für die rein animalische Tätigkeit des Überlebens mit möglichst großer Bequemlichkeit. Überdenken Sie Ihr bisheriges Leben. Welchen Sinn sehen Sie jetzt darin? Was sind Ihre großen Errungenschaften der Vergangenheit? Lächerlich!
    Können Sie Werke der Weltliteratur noch mit Vergnügen lesen? Bedeuten Ihnen Künste noch etwas? Die Zivilisation der Vergangenheit mit ihrer Wissenschaft und Kunst, ihren Überzeugungen und Werten ist für uns so unzulänglich, daß wir sie einfach vernachlässigen können. Wir besitzen keine Zivilisation mehr. Wir haben keine Ziele, keine Träume, keine kreative Beschäftigung – nichts!“
    „Oh, ich weiß nicht recht“, wandte Mandelbaum mit einem amüsierten Lächeln ein. „Ich habe jedenfalls in den nächsten Jahren reichlich zu tun, wenn ich überall mithelfe, wo ich einen nützlichen Beitrag leisten kann. Denken Sie nur an den weltweiten Wiederaufbau der Wirtschaft, des politischen Lebens, der ärztlichen Versorgung, der Produktion und der gerechten Verteilung aller

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