Der Nebel weicht
Rohstoffe – das allein müßte für den Anfang genügen.“
„Aber später?“ fragte Rossman. „Was tun wir dann? Was tut die nächste Generation? Was tun die folgenden Generationen?“
„Sie finden bestimmt etwas.“
„Das bezweifle ich. Die Errichtung einer stabilen Weltordnung ist eine gigantische Aufgabe, aber wir sind uns doch darüber im klaren, daß die neue Menschheit sie bald gelöst haben wird – nämlich innerhalb weniger Jahre. Aber was dann? Wir können bestenfalls zufrieden ausruhen und schließlich völlig stagnieren. Ein schrecklich leeres Leben!“
„Die Wissenschaft …“
„Ja, natürlich, die Wissenschaftler erleben zunächst vielleicht ihren großen Tag. Aber die meisten Physiker, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, vermuten, daß der potentielle Bereich der Wissenschaft begrenzt, daß die Zahl der noch zu entdeckenden Phänomene und Naturgesetze endlich ist. Sie gehen davon aus, daß sie alle in einer einheitlichen Theorie zusammengefaßt werden können – und daß wir von dieser Theorie nicht mehr allzu weit entfernt sind. Natürlich läßt sich diese Voraussage nicht endgültig beweisen, aber die Möglichkeit besteht immerhin. Außerdem können wir nicht alle Wissenschaftler sein.“
Mandelbaum starrte in die Nacht hinaus. Wie still es draußen ist, dachte er. „Einverstanden, aber wie steht es mit der Kunst?“ fragte er und zwang sich, nicht an Sarah und die Kinder zu denken. „Wir müssen eine völlig neue Malerei, Bildhauerei, Musik, Literatur und Architektur entwickeln – in Ausdrucksformen, die niemand je zuvor gedacht hat!“
„Falls wir die richtige Gesellschaft hervorbringen.“ (Die Geschichte zeigt, daß die Kunst immer dazu tendiert, dekadent zu werden oder sich in bloßer Nachahmung des Vergangenen zu verlieren. Offenbar ist eine Art Herausforderung notwendig, um sie wieder aufzuwecken. Und auch hier, mein Freund, gilt, wir können nicht alle Künstler werden.)
„Nein?“ (Ich frage mich, ob in Zukunft nicht jeder Mensch Künstler und Wissenschaftler und Philosoph un …)
„Wir brauchen immer noch Führer, Antrieb, Motivation und ein Weltsymbol.“ (Das ist der Grund für unsere gegenwärtige Leere: Wir haben noch kein Symbol gefunden. Wir besitzen weder Mythen noch Träume. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ – was nützt uns das Maß, wenn es größer ist als alles andere?)
„Wir sind noch immer ziemlich klein und unbedeutend.“ Mandelbaum zeigte aus dem Fenster auf den blau schimmernden Himmel. (Dort draußen wartet ein ganzes Universum auf uns.)
„Ich glaube, das ist der Ansatz zur richtigen Antwort“, sagte Rossman langsam. (Die Erde ist zu klein geworden, aber der Weltraum … vielleicht finden wir dort die Herausforderung und die Träume, die wir brauchen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß wir ein neues Ziel finden müssen.)
Die Telekomeinheit neben Mandelbaum summte leise. Er streckte die Hand aus und legte den Schalter um. Plötzlich fühlte er sich unendlich müde. Eigentlich hätte er in diesem Augenblick nervös und aufgeregt sein müssen, aber er spürte nur eine grenzenlose Erschöpfung.
Der Apparat klickte einige Signale. „Raumstation meldet Raketenstart im Ural. Vier Flugkörper mit Kurs auf New York. Geschätzte Flugzeit noch zehn Minuten.“
„Zehn Minuten!“ Rossman pfiff leise zwischen den Zähnen. „Sie müssen einen Atomantrieb haben.“
„Zweifellos.“ Mandelbaum stellte die Verbindung zur Schutzschirmzentrale im Empire State Building her. „Volle Kraft für eure Apparate“, sagte er. „Nur noch zehn Minuten.“
„Wie viele?“
„Vier. Sie müssen damit rechnen, daß wir zumindest drei unschädlich machen, deshalb haben sie bestimmt mächtige Ungetüme geschickt. Wasserstoff-Lithium-Köpfe, nehme ich an.“
„Vier, wie? Okay, wird gemacht, Boß. Drücken Sie uns die Daumen.“
„Ich euch?“ Mandelbaum grinste verzerrt und trennte die Verbindung.
Die Stadt hatte nur erfahren, daß die Lichtquelle auf dem Empire State Building zu Versuchszwecken installiert worden war. Aber als der bläuliche Schimmer stärker wurde und schließlich wie eine Lichtglocke über der Stadt lag, während gleichzeitig die Luftschutzsirenen zu heulen begannen, mußten alle die Wahrheit vermuten. Mandelbaum dachte an Männer, die ihre Frauen und Kinder an sich preßten, und fragte sich, was sonst noch geschehen mochte. Beteten die Menschen? Nein, das war unwahrscheinlich; falls es in Zukunft noch eine
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