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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Hund kläffte und stieß ihm den Kopf zwischen die Rippen, bis das Tier sich in Bewegung setzte. Psyche blieb vor Brock stehen und sah zu ihm auf.
    „Komm, Mädchen“, sagte er. „Hier herüber.“
    Er schlug das Gatter wieder zu und schob den Riegel vor. Joe trieb Psyche weiter vor sich her, bis sie hinter dem Hühnerhaus außer Sichtweite der Herde war.
    Die Schweine waren schon von Anfang an stark und intelligent gewesen und hatten zudem in früheren Zeiten oft genug miterlebt, wie ihre Artgenossen von Menschen geschlachtet wurden. Aber die Schafe waren völlig ahnungslos. Brock hoffte, daß sie sich nicht weiter darüber wundern würden, wenn ihre Zahl sich im Lauf des Winters weiter verringerte. Aber wenn die Menschen auch weiterhin von Tieren leben wollten, mußten sie ihnen eine Art … nun, eine Art Religion einimpfen, die Opfer forderte.
    Brock schauderte bei diesem Gedanken. Er war nicht für die Rolle eines Molochs geschaffen. Die Menschheit war auch so schon verderbt genug, sie mußte sich nicht erst in eine Rasse bluttrinkender Götter verwandeln.
    „Hier, Psyche“, sagte er.
    Sie blieb ruhig stehen und sah zu ihm auf. Erst als Brock sich die Handschuhe auszog, leckte ihre Zunge warm und feucht an der schwitzenden Haut. Und als er sie hinter den Ohren kraulte, blökte sie sehr leise und drängte sich näher an ihn.
    Plötzlich wurde ihm die Tragödie der Tiere bewußt. Sie waren einfach nicht auf diese erhöhte Intelligenz vorbereitet. Der Mensch mit seinen Händen und seiner Sprache mußte als denkendes Wesen aufwachsen; er war mit seiner Intelligenz vertraut. Selbst ihre plötzliche Zunahme belastete ihn nicht übermäßig, weil sein Intellekt schon immer potentiell unbeschränkt gewesen war.
    Aber die anderen Geschöpfe hatten in Harmonie gelebt, indem sie sich von ihren Instinkten durch die großen Rhythmen der Welt leiten ließen, ohne mehr Intelligenz zu besitzen, als für das Überleben erforderlich war. Sie waren stumm, wußten es aber nicht; weder Verlangen noch Einsamkeit oder verblüfftes Staunen quälte sie. Jetzt aber waren sie plötzlich in diese abstrakte Unermeßlichkeit geworfen, für die sie nicht geschaffen waren, die sie überforderte und aus dem Gleichgewicht brachte. Ihr Instinkt, der stärker war als beim Menschen, revoltierte gegen das Neue, Fremde, und ein Gehirn, das nicht auf Kommunikation abgestimmt war, konnte nicht einmal ausdrücken, was nicht mehr stimmte.
    Die ungeheure, gleichgültige Grausamkeit des Ganzen war ein bitteres Würgen in Brocks Kehle. Sein Blick verschwamm, aber mit einem wilden, verzweifelten Ruck warf er das Schaf zu Boden, riß den Kopf nach hinten und bot die Kehle dem wartenden Messer dar. Psyche blökte einmal auf, und er sah die Todesfurcht in ihren Augen. Dann stieß der Affe zu, sie zuckte kurz und lag dann still da.
    „Nimm … nimm …“ Brock stand auf. „Nimm du sie, Mehitabel, ja?“ Es fiel ihm seltsam schwer zu sprechen. „Laß dir von Wuh-Wuh helfen. Ich habe noch etwas anderes zu tun.“
    Leicht stolpernd entfernte er sich, und Joe und Mehitabel tauschten einen unsicheren Blick aus. Für sie war das einfach etwas ganz Normales gewesen; sie konnten sich nicht vorstellen, warum ihr Führer weinen sollte.

 
14
     
    Wang Kao arbeitete angestrengt, als der Prophet kam. Es war Winter, und das Land um das Dorf lag weiß und bewegungslos, soweit das Auge reichte, aber es würde wieder Frühling werden, und es mußte gepflügt werden, und alle Ochsen waren davongelaufen. Männer, Frauen und Kinder würden die Pflüge ziehen müssen, und Wang Kao wollte ihnen gern die Arbeit soweit wie möglich erleichtern. Er war dabei, den nutzlosen Traktor, das einzige Überbleibsel der Kommunisten, auseinanderzunehmen, um nach Kugellagern zu suchen, als der Ruf aufklang, ein Fremder nähere sich über die Felder.
    Wang Kao seufzte und legte seine Arbeit nieder. Er tastete sich durch das Halbdunkel der Hütte, die gleichzeitig seine Schmiede war, griff nach seinem Gewehr und der wenigen verbliebenen Munition und zog sich eine blaue, wattierte Jacke über die Schultern. Es war ihm ein guter Freund gewesen, dieses Gewehr. Es hatte ihn über Hunderte von Kilometern begleitet, nachdem sich die Armee in Meuterei aufgelöst und er nach Haus gegangen war. Es waren immer noch versprengte kommunistische Gruppen unterwegs gewesen, von den zu Banditen gewordenen, verhungernden Dörflern ganz zu schweigen. Selbst jetzt noch konnte man niemals sicher sein, worum es

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