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Der negative Erfolg

Der negative Erfolg

Titel: Der negative Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Branstner
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einige unter Protest den Raum verlassen, hat man jeden Buchstaben gedreht und gewendet und dahin überprüft, ob er auch an der richtigen Stelle steht, und hat man die Weggelaufenen zur Abstimmung wieder hereingeholt, dann hebt man die Hand, atmet tief befriedigt auf und sinkt erschöpft in sich zusammen – übrigens alles Erscheinungen, die den Menschen der Übergangsperiode auch noch hinreichend zu schaffen machten.«
    Da fuhr dem Studenten der Astrometrie ein Wind aus der Hose. Der Vergilbte schüttelte sich in einem Lachanfall, um dem jungen Mann aus der Klemme zu helfen.
    »Wenn ich daran denke«, lachte nun auch der Student, »daß ich, völlig ohne eine Absicht, auf einem mir völlig fremden Planeten, in einem Gespräch mit einem mir völlig unbekannten Menschen…«
    »…am Rande einer Pflaumenallee liegend«, ergänzte der Vergilbte.
    »… mir einen derartigen«, fuhr der Astrometer fort.
    »… Vortrag über das Verhalten des praktischen Idealismus anhöre«, schloß der Vergilbte, »dann ist das wirklich zum Lachen.« Da fiel eine Pflaume neben ihn ins Gras.
    »Diese Idealisten in Wort und Schrift«, kehrte der Vergilbte zum eigentlichen Gegenstand des Gesprächs zurück, »sind ein putziges Volk. Für sie ist ein Beschluß wichtiger als hundert Schritte wirklicher Bewegung, womit sie aber den wirklich notwendigen Beschlüssen die bewegende Wirkung nehmen. Die Verhältnisse sind bei ihnen auf den Kopf gestellt.«
    Roland Ell strich versonnen über das Gras. Die Halme beugten sich unter seiner Hand, um bald in ihre natürliche Stellung zurückzukehren. Seltsame Leute, dachte er. Wie mag es ihnen auf diesem Planeten ergangen sein? Haben sie auch epileptische Anfälle bekommen wie der Kardinal, weil sie nicht wußten, was oben und unten war?
    »Sie sollten Ihre Fragen etwas rascher stellen«, sprach der Vergilbte in die Stille.
    Der Astrometer zuckte zusammen. »Wie meinten Sie?«



 
     
     

»Ich würde Ihnen raten«, sprach der Vergilbte ungerührt, »an dieser Stelle die Frage zu erheben, wie es diesen Leuten auf unserem Planeten ergangen ist. Ich werde Ihnen diese Frage zwar nicht beantworten, wenigstens nicht jetzt, aber Sie könnten sie immerhin stellen, um mir die Möglichkeit zu geben, einen bestimmten Gedanken zu äußern.«
    »Auf Ihre bestimmten Gedanken lege ich keinen Wert, es handelt sich sicherlich wieder um eine ellenlange Abschweifung. Meine Frage ist: Könnte man diese Menschen nicht dazu bewegen, einen Beschluß zu fassen, daß ab sofort keine Beschlüsse mehr zu fassen sind? In ihrer blinden Wut, mit der sie sich in ihre Arbeit stürzen, würden sie gewiß auch diesen Beschluß fassen, und sie hätten damit sozusagen ihr eigenes Todesurteil unterschrieben.«
    »Zunächst möchte ich Ihnen versichern, daß Sie genau die Frage gestellt haben, an der mir gelegen war. Das Unfaßbare dieser Leute besteht nämlich darin, daß sie sich um die einmal erstrittenen Beschlüsse nicht im geringsten mehr kümmern. Sie scheinen ihre ganze Kraft bei der Beschlußfassung verbraucht zu haben. Von der heftigen Auseinandersetzung noch ganz warm, kommt der Beschluß zu den Akten. Dort liegt er, bis er vom nächsten zugedeckt wird. Diese reinen Gemüter lassen in ihrer heiligen Einfalt und Arglosigkeit ihr eigenes Geschöpf ohne die geringsten Skrupel im Stich, sobald sie mit ihm niedergekommen sind. Erst wenn der nächste Beschluß fällig ist, erholen sie sich wieder und stürzen sich in selbstloser Wut aufs neue in den Kampf. Doch kehren wir nun«, räusperte sich der Vergilbte, »wieder zu unserem Kardinal zurück und beschreiben sein Schicksal bis zu Ende. Der Kardinal hatte durch den Auftrag des ehrenwerten Magnus Err, demselben bei der Einrichtung seiner Zahnstocherfabrik zu helfen, wieder neue Hoffnungen geschöpft. Es stellte sich heraus, daß er die Frage der Arbeitskräfte regeln sollte. Der Kardinal machte sich sogleich ans Werk und entwarf den Text für eine Reihe von Predigten über das Thema des menschlichen Fleißes und den Nutzen der Arbeitsamkeit. Derart gewappnet, machte er durch einen Anschlag Ort und Stunde der ersten Predigt bekannt. Da sich jeder durch eigenen Augenschein davon überzeugen wollte, daß zu dieser Veranstaltung auch nicht eine Seele gehen würde, waren alle Bewohner der neuen Heimat auf dem Versammlungsplatz vereinigt. Der Kardinal war zutiefst bewegt und rief die Versammelten mit zitternder Stimme auf, die Arbeit zu ehren, und forderte Enthaltsamkeit gegenüber dem

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