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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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paar Stunden vergnügt, aber er stört wieder Bedürfnisse auf, die ich in mir vergraben will. Seht doch diese muntre Karikatur des Mitteleuropäers, seht doch das Püppchen des Militarismus auf diesem Hintergrund! Was will der Kerl? Will er mir von drüben erzählen, will er sich selbst in Szene setzen, hat er dumpfes Anschlußbedürfnis? Alles, was wir zusammen treiben könnten, ist Selbstzerfaserung von meiner Seite und lehrhaftes Patronisieren von der seinen. Ich habe es satt, mich von solchen Augen anblitzen zu lassen. Ich will nicht strammstehen, was mache ich mit der rohgezimmerten Seele?«
    Und doch, und doch, er fühlte, er könne dem Ansturm der Vitalität des Leutnants nicht widerstehn, wolle auch im innersten Grunde nichtwiderstehn, so wie man sich einer schmerzhaften Massage durch athletische Badediener überläßt, die eine sanft glühende Nachwirkung am Körper erzeugt, ein Gefühl wie von Champagner. – »Dazu«, fühlte Erwin im Innersten: »ist mir unser neuer Freund gut genug. Lassen wir ihn nun an mir herumarbeiten und sehen, ob er auf seine Kosten kommt. Wird er's müde, so setze ich ihm keine weiteren Verlockungen entgegen. Macht er mich nervös, so werde ich grob. Verträgt er meine Grobheit, um so besser für ihn. Es wird eine Art Kampf geben mit geistigen Mitteln gegen Metall. Sehen wir zu, wer den anderen unterbekommt. Im heutigen Weltbild passiert ja dasselbe. Spielen wir uns hier ein kleines Kriegspanorama vor.«
    Der Gedanke an diese ihn zunächst etwas läppisch dünkende Konkurrenz begann ihn irgendwie zu befeuern, so daß sein erboster Blick sich milderte und sich freundlich auf Mildred kehrte.
    Der erfrischende Gedanke streifte ihn: »Vielleicht ist sie meiner eine Weile satt geworden; Abwechslung gönne ich ihr ja. Wir sind uns gegenseitig zu nahe gesessen die ganze Zeit über. Ich muß wie Blei an ihrer Natur gezerrt haben. Sie hat es ja vertragen; aber Kettenringe hinterlassen Einschnitte, die manchmal schwer verheilen. Ein Gegengewicht wird sie vielleicht entlasten. Und wenn dieser Zuckschwerdt es fertig bringt, mich selber zu verändern, so wird es gut sein für sie. Sie wird mich in anderem Lichte sehn. Auf in den Kampf denn!«

Episoden im Wasser
    Mit großem Geknatter hielt der kleine Ford wieder an der Eingangsstelle. Der Leutnant löste sich vom Führersitz und kam den Hügel herauf.
    »Feiner Tag, was,« rief er, noch bevor er die Veranda überschritten. »Famose Idee das von mir mit dem Baden, wie? Ziehe mich gleich in Ihrem Schlafzimmer aus, wenn Sie gestatten, habe einen Regenmantel dabei für meine Anatomie. Nur runter mit Ihren Kleidern, Herr Notacker, das wird ein köstliches Plätschern werden.«
    Badehosen waren zur Stelle und in Mänteln und Tennisschuhen trat man den Gang zum Kleinen Miami an.
    Erwin hatte bislang jeden Morgen dort gebadet, heute aber schien der Fluß neu und strategischen Gesichtspunkten unterworfen, die er bis jetzt nicht entdeckt. Zuckschwerdt erblickte hinter dem nächsten Katarakt mit seinem Adlerblick sofort ein geschütztes Plätzchen, eine Art Wirbelloch, in dem sich das Wasser bis zu anderthalb Metern Tiefe verfing, und steuerte mit kräftigen Schwimmstößen darauf los.
    Bald saßen sie beide darin. Die Ränder des Bassins waren etwas flacher, voll von runden glatten Steinen. Man konnte sich darauf legen und sich den Leib angenehm bespülen lassen. Zuckschwerdt verschränkte die Arme hinter dem Kopf, und mit einem Zweig im Mund, an dem er kaute,blickte er ins Himmelsblau. Sein Profil, grob gehauen und energisch, stand mit der geschwungenen Nase, deren Nüstern scharf umrissen und breit die Sommerluft schlürften, knapp aus dem Wasser und spiegelte sich darin. Es war rot gefleckt; doch sein Körper war weiß wie Papier.
    Erwin forschte, ob man an diesem Körper die Ursache jener steifen Gangart entdecken könne, und hatte bald herausbekommen, daß des Leutnants obere Partie wie bei anderen Sterblichen gebildet war, die Beine hingegen muskelarm und steif von ihm wegstanden mit den häßlichsten Füßen, die er je erblickt: mit spitz zustrebenden verkrümmten Zehen, und vollkommen platt, ohne die Andeutung eines Spannes. Ja, das war der Schönheitsfehler; und seine Ursache lag wohl im Drill. Der Mann hatte seine Beine mißbraucht. Sie funktionierten selbständig unter ihm; er beherrschte sie nicht. Er hatte sie durch jahrelange Gewohnheit entstellt, und sich die Füße auf Paradegründen plattgetreten. Es waren keine Läuferfüße, keine

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