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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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verachten würde. Fabrikerweiterungen, wo man ein Stockwerk auf das andere pappe, Ausnutzung von Nutzland zwischen Schienensträngen,Arbeiterwohnungen und solchen Zimt. Er mache immer bloß Skizzen, sonst genüge es, wenn man dabei sei und die Nigger anbrülle, daß sie Blut schwitzten. Das sei seine Methode. Er und sein Boß, das seien die dicksten Freunde. Amerikaner liebten das Praktische, und so, wie er es ihnen auftrage, hätten sie es doch noch nicht bekommen. – Organisation von den Pionieren her, verstehen Sie. Alles läuft von selber. Hauptsache ist, daß man immer eine Rolle in der Tasche hat. – Spekulant sei er keiner; aber er arbeite wie ein Pferd. Wenn er mal ein paar tausend Dollars in die Dinklager Klitsche stecken könne, damit er seinem alten Herrn einen Gefallen tue, sei er ganz zufrieden. Der arme Mann beiße sich die Zähne noch aus an den Methoden von anno 50. Reklame kenne er nicht. Was so die vorsichtigen Bürger von drüben seien – die hätten ja überhaupt keine Ahnung, was Zeit ist. Machten Vorarbeiten wie geduldige Sklaven; ärgerten sich grün über läppische Nichtigkeiten und die Amerikaner, von denen er selbst mächtig profitiere, nähmen die Sache dann in die Hand und machten Geld daraus. Vielleicht seien in Dinklage zehn Patente entstanden, die hier bereits im Schwung seien wie das tägliche Brot. Aber den Leuten sei nicht zu raten.
    Er erzählte noch dies und jenes über sich, malte atemraubende Zahlen in die Dunkelheit; er blitzte von Theorien, Plänen, ungenutzten Möglichkeiten; ein großer Energiestrom hatte sichgleichsam in ihm gefangen und strahlte verästelt von ihm aus. Und jede dieser Verästelungen, so konnte man sich vorstellen, erzeugte hochgetürmte Druckerschwärze; nicht bloß in Ohio, sondern überall im Kontinent. Zeitungsköpfe, wie etwa: »Zuckschwerdts Zeitersparnis, Großer Fund Der Letzten Monate«, oder: »Unbekannter Maschineningenieur Stellt Ganze Betriebe Auf Neue Basis«, oder: »Neue Methode, Häuserblöcke In Zwanzig Stunden gebrauchsfähig Zu Bauen« – zogen in wuchtigen Zeilen an Erwins innerem Auge vorüber.
    Man hielt vor einem kleinen Benzinautomaten. Das Maschinchen wurde frisch genährt und nach einer halben Stunde, die relativ schweigsam verlief, kam man wieder vor dem Hause an.
    Man trank noch einige Wiskysodas auf der Veranda, bei denen Zuckschwerdt sich das Sodawasser sparte. Seine Rede, die das im Auto angeschlagene Thema behaglich weiterspann, verriet nach einiger Zeit durch gewisse Schwankungen und Stockungen, daß seine Gedankengänge irgendeiner Beeinflussung unterlagen, der er nicht gewachsen war.
    Zwar versuchte er durch Verstärkung seiner Töne dem Mangel, der durch das Versickern des Geistes entstand, aufzuhelfen; doch gelang es ihm nicht zur vollen Zufriedenheit, Überzeugendes hinzuzufügen. – – –
    Mit gutem Anstand gelang es ihm schließlich, sich zu verabschieden. Man sah ihn die Wiesehinuntergehn, wobei ihm die durchgedrückten Knie diesmal nicht behilflich waren. Wenn man sich in einer schiefen Ebene fortbewegt, so kommt man, übt man Stechschritt, vielleicht schneller am Ziel an, aber auf eine Weise, die man nicht beabsichtigt. Es passierte nämlich dem Leutnant – und das war in der Dunkelheit gerade noch zu erkennen –, daß die Nacht ihn in ihren Mutterarm nahm, nachdem unkontrollierbare Kräfte ihn die Wiese hinuntergerollt.
    Man hörte ihn noch an seinem Auto basteln und schwere Befürchtungen erweckte der Start, dessen Gelingen man nur vermuten konnte. Immerhin, das Geräusch des Motors verklang taktfest in der Dunkelheit.

Die Maske taut
    Es war ein sonniger Gottesmorgen wie viele frühere, ein Morgen voll vom Gebrüll der Sau im Verschlag, dem Singsang der Eisenbahnarbeiter hinter dem Eichenhain, fern vorüberrasselnden Frachtzügen, fernen Flüchen eines Farmers und der Stimme der Frau Sniggers, die unten ihre Hennen zusammenlockte, – ja, ein solcher Morgen war es, der sich von keinem unterschied, – als Erwin etwas früher als gewöhnlich erwachte und sich vor den Rasierspiegel stellte, wie es seine tägliche Gewohnheit war.
    Während er sich schabte, kam ihm zum Bewußtsein, daß die nächste Zukunft nicht so ganzereignislos sein würde wie bisher. Etwas war beschäftigt, ihn zu zerstreuen, und er hatte es nötig.
    Aus dem Spiegel sah ihn ein Gesicht an, das einer Maske glich. Unter seinen Augen deuteten sich Säcke an, seine Wangen waren schlaff, seine Hautfarbe von ungesunder Röte, keiner

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