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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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er sich nichteinmal Aufschluß. Er klappte einfach die Lider zu. Er ließ sich weiterwirken wie ein Naturereignis.
    »Er hat es erfaßt,« dachte Erwin, nachdem er sich von seiner Verblüffung erholt. »Es scheint doch, daß man mit Bluff hier alles machen kann. Welch Gottessegen ist doch so eine dicke Haut.«
    Ganz im Hintergrunde seines Bewußtseins entstand eine leise unbehagliche Erwartung. Er hatte das Gefühl, daß eine kaltberechnede Macht, deren Wesen der Gute nicht einmal ahnte, ihn schon eingekreist habe und mit kaltem Blick nach seiner Achillesferse forsche. Da würde sie ihn treffen und blitzartiger erledigen, als der von seinem Selbstbewußtsein Umfriedete es sich ausmalen konnte. Sie würde ihn auslöschen, wie nur je ein Individuum ausgelöscht war.
    Nach dem Bade lud sich Zuckschwerdt selbstverständlich zum Mittagessen ein. Die Rede kam auf Musik, und Mildred, die die Ausübung dieser Kunst lange vermißt, war erfreut zu hören, daß der Leutnant, wie er behauptete, eines ausgebildeten Tenores mächtig sei. Man beschloß, gelegentlich Schubertlieder vorzutragen; besonders lieb, erklärte Zuckschwerdt, sei ihm jenes, das den Titel trage: »Der Tod und das Mädel.« – »So ähnlich hieß es,« bemerkte er schneidend.
    Das Ehepaar geriet in Heiterkeit, deren Grund der Leutnant nicht erkannte. Hernach, während man ein Verdauungsstündchen folgen ließ, rief ihn die frische Energie, die er aus dem Bade geholt,dazu, Verbesserungen in der Umgebung des Hauses vorzunehmen.
    Ein kleines Bächlein rann die Wiese von Mr. Byes Besitztum herab. Hier fand sich die Notwendigkeit vor, unverzüglich einen kleinen Fischweiher anzulegen. Er beschaffte sich Schaufel und Hacke und arbeitete zwei Stunden lang wie eine Maschine. Man konnte ihn vom Fenster aus betrachten, wie er mit gebeugtem Rücken trotz weißer Flanellhosen in der Erde stand und seine Muskeln sich unablässig rührten.
    Nach Fertigstellung eines beträchtlichen Loches stieg er transpirierend heraus und erklärte seinem Tatendrang als zur Not Genüge getan. Er verbesserte noch den Hühnerschuppen, reparierte den Zaun, wütete korrigierend umher zum großen Erstaunen der Haushälterin, die, den schmerzenden Kopf von einem weißen Handtuch verhüllt, unwillig aus dem stumpfen Zustand ihrer Migräne erwachte und ihn mit langen Salven von ländlichem Englisch verfolgte. Zuckschwerdt entwickelte eine Gewandtheit, ihr in Slang alles zurückzugeben, was sie zu bemerken hatte. Sie verdrehte die Augen und zog sich wieder in den Hintergrund der Küche zurück.
    Als sie sich von den Vorteilen des kostenlosen Arbeiters überzeugt, milderte sie ihre Gesinnung und bot ihm ein Gläschen Wein an, der aus Löwenzahn gebraut war. Da jeder Alkohol in Zuckschwerdt ein Echo fand, so blieb es nicht bei dem Gläschen und der Löwenzahnschnaps vereintedie Gemüter alsbald auf demokratischer Basis. Man fand ihn zum Schluß auf dem Küchentisch sitzend und mit den Beinen baumelnd und Mrs. Sniggers tiefbefriedigt und schnurrend gleich den fünf schwarzen Katzen, mit denen sie sich umgab.
    Das Gespräch drehte sich, wie Erwin, der jetzt herunterkam, sofort erfaßte, um eben diese Katzen, und die Frau hatte sich beklagt darüber, daß niemand den Mut finde, die Tiere aus der Welt zu schaffen. Sie bringe es nicht übers Herz; aber was die zusammenfräßen, sei enorm und mache sie arm und frühalt vor Sorge. Dabei senkte sie schwermütige Augen auf die mageren, zum Teil mit Krätze bedeckten Tiere.
    »Ich hasse sie eigentlich,« bemerkte sie, »will sie los sein; aber man hat ein gutes Herz. Alle Tiere kommen von der Vorsehung; aber was die jungen Hühner sind, die leben nicht lange mit ihnen zusammen, ohne daß ihnen etwas passiert.«
    »Warum«, rief Zuckschwerdt fröhlich, »vertrauen Sie mir nicht? – Ich werde Sie von dem Übel erlösen. Kann ich nicht ein wenig Vorsehung spielen?«
    Die fünfzigjährige verbissene Frau blickte scharf auf und bemerkte: »Ich finde hier in der Gegend keinen Mann, der das fertig brächte. Das wäre ja Mord. Aber wenn die Katzen eines Tages nicht mehr da sind, so will ich gern glauben, daß man sie gestohlen hat oder daß sie ausgekniffen sind.«
    »Einen Mann suchen Sie,« erwiderte Zuckschwerdt heftig und stellte sich spreizbeinig mitten in die Küche. »Hier haben Sie einen, der tötet das Viehzeug.«
    »Nicht töten,« rief sie schrill, »nicht töten, wegschaffen, verjagen.«
    »Na gut,« sagte Zuckschwerdt. »Ich nehme sie alle mit im

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