Der neue Daniel
auf Leser durch klug gesetztes Wort–: Zusammenhang mit anderen Gehirnen... das fehlte ihm hier. Wo er es versuchte, nahm man es ihm mit kalter Gebärde weg. Amerikaner, mit denen er redete, verstummten, sobald ein politisches Wort fiel, und ein ruhiges Gespräch, was er wohl führen konnte mit einfachen Leuten, wurde plötzlich zerschnitten und ihm im Munde vergiftet durch ein Wort, das die Leute wie gangbare Münze unter sich zirkulierten, das Wort: »Hunne«, das sie mit einem Krächzlaut der Kehle hervorstießen, bei dem sie sich nichts mehr dachten, das ihnen geläufig war, als ob sie von Ratten oder Stechfliegen redeten. Sie meinten es nicht schlimm damit. Es war der Feind, der Feind war gemeint; selbstverständlich! – ein Tier, ein ekles Gezücht, das man zerquetschen mußte.
Daß Erwin dieser kaum als menschlich empfundenen Rasse angehörte, vergaßen die Biederen, sobald sie mit ihm sprachen; denn er redete geläufigesEnglisch, sogar ein wenig durch die Nase, und wo das Volk hundert Wörter kannte und bequem damit auskam, pflegte er zuweilen Buchausdrücke zu verwenden, die ihnen dunkel von der Schule her als gewählt und stilvoll erschienen. Er übertrumpfte sie mit ein paar ungeahnten verblüffenden Argumenten, ohne sich etwas dabei zu denken, dann merkte er, wie ringsum sich die Lippen zusammenzogen wie Öffnungen von Tabaksbeuteln, deren Inhalt trocken bleiben muß; – merkte Achselzucken, abirrende Blicke, wurde unsicher und bereute es, ein Wort gesprochen zu haben.
Er breitete kleinen Geschäftsleuten die Schätze seines Wissens hin, ohne es zu wollen und machte sie mißtrauisch wie einer, der eine Ware allzu sehr anpreist, um über ihre Qualität zu täuschen. Er hatte nichts Polterndes an sich; ihm war es nicht gegeben, Schulterklapse zu verteilen und in Zahlen zu denken. Die Perspektiven, die er unwissentlich eröffnete, enthielten keine Zahlen; und der erfolgreiche, gutgekleidete, scharfäugige Ire oder Angelsachse da vor ihm, mit den Händen in den Hosentaschen und stramm hingepflanzt auf seinen runden Schuhen, dachte sich sein schlichtes Teil über Erwin etwa so:
»Dieser drollige Kauz mag ja hingehen als etwas, das der Herrgott so nebenbei nach dem zweiten Frühstück erzeugt. In unser System, in unser klares, herrliches, logisches, viereckiges System paßt er nicht hinein und er täte besser,sich zu drücken.« Und vielleicht spürte dieser selbe Amerikaner noch eine Anwandlung, ihm ein paar Dollars für die Rückreise vorzustrecken, um ihn in sein von unnützem Menschenkehricht überfülltes eingeklemmtes Land zurückzuschaffen. Großzügig kam er sich dabei noch vor...
»Nein,« – dachte Erwin, nachdem er sich angekleidet hatte und im Begriff war, zum Frühstück hinunterzugehen: »Lieber das Schneckenhaus, und in den Winterschlaf hinein, bis dieser Wahnsinn zu Ende ist. Streiche ich diese Monate, ja diese Jahre aus meinem Leben einfach heraus. Es wird das beste sein. Irgendwo gibt es dann ein Loch, über das ich mir keine Rechenschaft geben kann; und vielleicht werde ich zwischen das Jetzt und meine Jugend eine Scheidewand stellen, hinter der ich mich, wie ich war, nur ganz verschwommen werde erkennen können. Was tut's: wenn ich mich später einmal anbohre, sprudelt es wieder. Ich bin durchgeackert. Nun bin ich brach und voller Steine. Dann kommt eine neumodische Erfindung, die das unterste zu oberst kehrt. Vielleicht Republik, Gleichheit der Menschen oder nur der Geister... Das wäre schon etwas. Einstweilen laßt mich in Ruhe.«
Als er sich zum Frühstück setzte, lachte Mildred silberhell, so wie sie es selten in der letzten Zeit getan und erklärte ihm, es hätte heute früh ein telephonischer Anruf stattgefunden. Zuckschwerdt komme in etwa einer Stunde herauf und wolle mit Erwin zum Baden gehn.
Schon der bloße Gedanke an den Leutnant schien sie zu amüsieren. Sie hatte seit dem Besuch des Tüchtigen eine größere Lebhaftigkeit. Ihr Humor war wieder geweckt, ihre Aussicht aufs Leben irgendwie rosiger gefärbt.
»Zuckschwerdt«, murmelte Erwin, und Mildred war erstaunt, als er, statt sich gutmütig auf die neue kleine Komödie zu freuen, schier erbost vor sich hinstarrte.
Woher kam diese Erbosung? Ach, es war die Unterbrechung der Routine. Da war ja der Störenfried, der mit einem Hammer an das Schneckenhaus klopfte, bis das nervöse Weichtier nackt in den scharfen Wind hinauskroch und fröstelte.
»Der Mann ärgert mich bloß,« dachte Erwin, »er macht mich für ein
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