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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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scharf. Hier bin ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen! Das zieht. – Der Amerikaner ist ein verdächtiger Bursche; aber wo man ihm mit offenen Karten kommt, wird er bekömmlich.«
    »So so,« sagte Erwin, in tiefes Sinnen verloren. »Ich bin ja auch immer offen gewesen und habe nie ein Hehl aus meiner Herkunft gemacht. Aber daß die Herren bekömmlicher geworden wären, habe ich nicht bemerkt: im Gegenteil: die Ruppigkeit gegen mich ist so im Wachsen, daß ich mich überhaupt noch wundere, mit einigen Leuten hier auf Grüßfuß zu stehen. Wie ich herkam, wurde ich ja auch in verschiedenen Häusern vor Stockamerikanern als leidlich kultiviertes Exemplar eines Mitteleuropäers herumgezeigt. Doch dann hatte man eine Art, sich so subtil, so von hinten herum meiner Bekanntschaft wieder zu entledigen, daß es mir Überwindung kosten würde, diese von Vorurteilen wie von Läusen geplagte Gesellschaft eines Wortes zu würdigen.«
    »Ha, ha!« lachte Zuckschwerdt hier und schlug sich schallend auf die Schenkel. »Das machen Sie verkehrt, verehrtester Herr Notacker! Mich, und rausschmeißen, – mich und ignorieren, – das sollten die mal probiert haben!! – Nachgelaufen sind sie mir, weil ich ihnen Fußtritte gab.
    »Geboosted« haben sie mich, weil ich ihren Geschmack kenne. »Toller Kerl«, haben sie sich gesagt, »ist nicht unterzukriegen«. – Freilich, 'ne feine Gelehrtennatur wie Sie, die tritt ja zurückund die Leute treiben Schindluder mit Ihnen. Auf Geist, da können Sie Gift drauf nehmen, trampelt man hier herum. – Das gibt es nicht.«
    »Was für ein unbewußtes pyramidales Kompliment,« dachte Erwin, »was für eine erstaunliche Erkenntnis. – Woher hat er das?«
    »Ich muß Sie überhaupt ein wenig in mein Schlepptau nehmen,« fuhr Zuckschwerdt fort, noch immer im Schwung seiner Heiterkeit. »Das geht nicht mit Ihnen so weiter. Sie hängen sich ja wie ein Bleiklotz an die Ereignisse hier. Der Amerikaner ist kein solcher ???Tüdckebold, wie Sie ihn sich vorstellen. Ein bißchen Psychologie und die Sache macht sich. Nur ein bißchen Psychologie!
    Der Krieg ist hier ein Sport; drüben eine blutige Auseinandersetzung. Aber es passiert selten, daß sich bei einem Base-Ball-Spiel die Zuschauerschaft wegen Sympathien persönlich in die Haare geraten. Der eine brüllt das, und der andre das; aber die Hauptsache ist das Feld da hinten, wo die Farben wechseln. Das ist die Tribüne, wo der Unparteiische sitzt.
    Jeder wird auf seine eigene Weise verrückt. Das wäre noch schöner, wenn sich Sitznachbarn auch noch verholzen wollten. Was hätten die Leute für ein Interesse daran, mir ein Bein zu stellen? Ich stelle doch meine Energie sozusagen in den Dienst dieses verdammten Landes. Das wissen die Schufte ganz genau und richten sichdanach. Außerdem, wissen Sie, ich reibe ihnen nicht gerade unter die Nase, was für Kerle wir da drüben sind.
    Macht böses Blut. Heule mit den Wölfen, sage: »Ja ja, ihr werdet's schon machen. Die Sache sieht nicht unbedenklich aus für Deutschland. Da werden sich die noch verschiedene Zähne auszubeißen haben; denn praktisch seid ihr, daß muß man euch lassen und ihr wißt auch, was ihr wollt«. »Jeder bildet sich ein, er hat recht«, sage ich, »und der liebe Gott wird ja entscheiden, wer's hat«. – Im geheimen, Herr Notacker, denke ich mir aber dabei: »Ihr traurigen Figuren, ihr werdet ja verdroschen, ihr klappriges Gesindel, ihr kniekrummes; ihr habt ja noch keine Ahnung, wie es tut, wenn die dicke Berta spuckt«. – –
    So mache ich das. Und Sie halten sich nur an mich, nur immer an mich, dann geht die Sache schon, und keine falsche Scham!«
    Es mochte nicht lange nach diesem Gespräch gewesen sein, als Zuckschwerdt eines Morgens sehr früh mit allen Anzeichen hochgradiger Erregung nach Tower-Hill herausgefahren kam und Erwin aus dem Bett holte.
    »Mensch,« schrie er, »ich habe was gelesen. Es gibt einen Passus im Internationalen Recht.«
    »Wovon reden Sie, Zuckschwerdt! – Vom Internationalen Recht?«
    »Nun ja, wissen Sie, ist ja 'ne Farce geworden; aber da ist es heute in der Zeitunggestanden und ich will's glauben, weil ich die Motive von der Bande kenne. Nämlich nach der Kriegserklärung können alle feindlichen Zivilisten in ihre Heimat zurück und hier scheint es, daß man Sie mit Handkuß loswerden will. Rausschmeißen kann man Sie nicht; aber wenn einer ein wenig bohrt, muß er gehen. Sie sind ein stiller Gelehrter, spielen sich als

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