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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verschlangen alles, was auf ihrem Wege lag… Oder: Es war die Zeit im Jahr, da die mächtige KÖNIGIN der HJJK-Völker eine Horde ihres Volkes entsandte wider die Stadt Thisthissima und eine weitere gewaltige Horde gen Tham… Leeres Historienstroh das Ganze, keine wirklich handfeste Information darin.
    Aber Hresh gräbt weiter. Die Bücher ganz unten am Boden der Lade sind namenlos. Es sind die allerältesten, bloße Fragmente voller Lakunen, und in einer dermaßen antiken Schrift geschrieben, daß Hresh nur umrißhaft die Bedeutung erfaßt. Texte aus der Großen Welt sind sie, Gedichte vielleicht, oder dramatische Werke, heilige Schriften – oder gar alles drei zusammen. Wenn er die Fingerspitzen auf sie legt, beleben sich die brüchigen Pergamentbögen mit Bildern von jener grandiosen Zivilisation, welche durch die Todessterne zugrunde ging, Bilder aus jener Zeit der Hochblüte, als die Sechs Völker durch die leuchtenden Straßen der Großen Städte wanderten… Aber alles bleibt nebelhaft, rätselhaft, trügerisch wie in einem Traum… Er legt die Bücher in die Lade zurück und verschließt sie.
    Unbrauchbar, das Ganze. Was er braucht, ist ein ‚Buch Hjjk’, aber er weiß, daß es so etwas nicht gibt.
    »Drei Tage schon«, sagte Taniane mit tonloser Stimme. »Ich will wissen, wo sie ist. Und ich will wissen, von was für einem Wahnsinn sie befallen wurde.«
    Zorn und Frustration trieben ihre Seele schrecklich um an diesem hellen windigen Herbsttag. Sie hatte keinen Schlaf gefunden. Ihre Augen waren entzündet und schmerzten. Immer wieder überfiel sie ein Schüttelfrost. Aber sie durfte nicht aufgeben. Ruhelos stapfte sie über den Steinboden der Kammer im Hinterteil der Basilika, das sie zum Kommandozentrum für die Suchaktionen nach Nialli Apuilana und gleichzeitig für die Aufklärung der zwei Morde bestimmt hatte.
    An der Wand hinter ihr hingen wirr durcheinander Dutzende von Dokumenten – Aussagen von Bürgern, die behaupteten, Nialli an jenem schicksalhaften Nachmittag gesehen zu haben, wilde Gerüchte um drei Ecken herum über angeblich in Kneipen mitangehörte Mordkomplotte, vage Berichte voller Vermutungen von den Stadtgardisten über ihre bisherigen Ermittlungen.
    Nichts davon taugte etwas. Taniane wußte noch immer nicht mehr als an jenem Nachmittag, nämlich gar nichts.
    »Du mußt versuchen, ruhig zu bleiben«, sagte Boldirinthe.
    »Ruhig! O ja!« Taniane lachte bitter auf. »Natürlich. Vor allem muß ich mich bemühen, ruhig zu bleiben! Zwei Mordfälle, und meine Tochter verschwunden, unauffindbar, vielleicht irgendwo in einem Kellerversteck, oder wahrscheinlich bereits tot… Und ihr verlangt, daß ich ruhig bin!«
    Alle starrten zu ihr her. Der Raum war voll von ‚bedeutenden Persönlichkeiten’ in diesem Moment. Hresh war da, und wieso sah er auf einmal so verhärmt und alt aus? Und Chomrik Hamadel, der Hüter der Beng-Talismane, und Husathirn Mueri, und der Beng-Justiziar, Puit Kjai, und der kommissarische Hauptmann der Wachen.
    »Wieso kommst du auf den Gedanken, sie könnte tot sein?« fragte Puit Kjai.
    »Wenn es sich wirklich um eine umfassende Verschwörung handelt? Ermordet den hjjkischen Gesandten, ermordet den höchsten Polizeibeamten, ermordet die Tochter des Häuptlings, vielleicht den Häuptling selber als nächstes…«
    Alle starrten sie ungläubig und stumm an. Sie sah es an ihren Gesichtern, daß sie bereits dachten, sie gehe unter dem Druck in die Brüche. Vielleicht hatten sie damit sogar recht.
    Sanft sprach Boldirinthe zu ihr: »Nialli Apuilana ist nicht gemordet worden, Taniane. Sie lebt, und sie wird gefunden werden. Ich habe die Himmlische Fünffaltigkeit befragt, und sie sagen mir, sie ist in Sicherheit, es geht ihr gut, sie ist…«
    »Die Heiligen Fünf!« Tantianes Stimme kreischte fast. »Du hast die Fünf befragt? Ich nehme an, wir sollten auch Nakhaba konsultieren. Sämtliche uns bekannten Götter befragen und möglichst auch noch die, die wir nicht kennen. Und die Hjjkkönigin – vielleicht sollten wir auch sie fragen…«
    »Das wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee«, sagte Hresh.
    Taniane schaute ihn verblüfft an. »Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt für plumpe Witze.«
    »Du warst plump und zynisch. Ich rede im Ernst.«
    »Was sagst du da, Hresh?«
    Zögernd sagte er: »Dabei geht es um Dinge, die am besten nur wir beide unter vier Augen besprechen sollten, glaube ich. Es betrifft die Hjjks. Und Nialli.«
    Tanianes Hand fuchtelte

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